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Wer liest, kommt weiter

Wer liest, kommt weiter

Titel: Wer liest, kommt weiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Denk
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beim Lesen über das Wesen des Menschen und seine Lebensbedingungen, die Conditio humana, gewinnen. Dies gilt auch und ganz besonders von Texten und Büchern zur Geschichte. Ref 44

16. Wer liest, kann aus der Geschichte lernen
    In Friedrich Nietzsches Schrift Vom Nutzen und Nachteile der Historie für das Leben (1874) heißt es am Anfang des 2. Kapitels: Daß das Leben aber den Dienst der Historie brauche, muß ebenso deutlich begriffen werden als der Satz,  ... daß ein Übermaß der Historie dem Lebendigen schade. Diese Gefahr ist heute gering. Um so größer ist die Gefahr, daß wir den Nutzen der Geschichte für unser Leben nicht mehr begreifen.
    Historische Sachbücher und Biographien können uns dabei helfen, aber auch literarische Texte. Denn auch und gerade aus der Literatur können wir etwas über die Geschichte und die Menschen erfahren und dabei etwas für unser Leben lernen.
    Alle erzählende Literatur, angefangen bei der Ilias und der Odyssee, aber auch die Bibel hat mit Geschichte zu tun. Denn alles, was geschieht, geschieht zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort, durch und mit Menschen, die handeln oder leiden. Je wilder die Zeiten, desto ergiebiger für die Literatur und desto interessanter, leider, für spätere Generationen.
    Deshalb sind auch Romane über die NS-Diktatur und den Zweiten Weltkrieg interessanter als die über die Bundesrepublik. Doch Ilse Aichinger, Horst Bienek, Heinrich Böll, Günter Grass, Walter Kempowski, Hermann und Siegfried Lenz und Hans Werner Richter, um nur einige Namen zu nennen, deren Leben und Werk von der NS-Zeit geprägt wurde, hätten vermutlich gern die ihre in eine spätere, wenn auch ereignislosere Biographie eingetauscht.
    Erst recht hätten die zahllosen exilierten Autorinnen und Autoren, deren Existenz oft vernichtet wurde (einige nahmen sich auch das Leben), gern auf die extremen Stoffe für ihre Bücher verzichtet. Genannt seien hier nur H. G. Adler, Walter Benjamin, Ernst Bloch, Bertolt Brecht, Hermann Broch, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Bruno Frank, Oskar Maria Graf, Walter Hasenclever, Hermann Kesten, Annette Kolb, Heinrich Mann, Klaus Mann, Thomas Mann, Erich Maria Remarque, Ludwig Renn, Anna Seghers, Hilde Spiel, Ernst Toller, Kurt Tucholsky, Ernst Weiß, Franz Werfel, Carl Zuckmayer, Arnold Zweig und Stefan Zweig.
    Aber auch »innere Emigranten« wie Stefan Andres, Werner Bergengruen, Albrecht Haushofer (* 1903, ermordet am 23.4.45), Ricarda Huch, Ernst Jünger, Fritz Reck-Malleczewen (der im KZ umkam), Reinhold Schneider, Ernst Wiechert, die zuerst von der Flucht der bedeutenderen Kollegen profitierten, hätten wohl lieber in unserer harmloseren Zeit gelebt, von der aus man sie dann als opportunistisch kritisieren konnte (was ich in meinem Buch Die Zensur der Natchgeborenen. Zur regimekritischen Literatur im Dritten Reich 1995 analysiert habe).
    Natürlich kann die Geschichte auch in Dramen lebendig werden, man denke nur an Shakespeare und Schiller. Hier nur die ersten acht Verse aus Albrecht Haushofers hintergründigem historischen Drama Augustus, das 1939 als Buch erschien:
     
     
     
  Landhaus des Horatius bei Tibur ... Horatius, Vergilius und Catullus an einem erlesenen Frühstückstisch. Ein Sklave schenkt ihnen Wein und verläßt dann den Raum. 
  
  
  
  
  Horatius. 
  Gedenken wir des allerhöchsten Wohls! 
  
  
  Augustus Octavianus Caesar lebe! 
  
  Catullus 
  (sein Glas umwerfend). 
  
  
  Ick kanns nicht ändern, daß er lebt – Sein Wohl – 
  
  Horatius. 
  Was tust Du, Freund! Mein bester Wein – 
  
  Catullus. 
  Verzeih! 
  
  Horatius. 
  Du wagst zu viel. Man hätt es hören können! 
  
  Vergilius. 
  Es ist doch niemand hier. 
  
  Horatius. 
  Mein neuer Sklave – 
  
  Catullus. 
  Der junge Bengel, der uns grad verließ, 
  
  
  Steht in besondrem Dienst? 
  
  Horatius. 
  Das weiß ich nicht. 
    Haushofer schrieb zwischen 1933 und 39 drei in Rom spielende Dramen, in denen er, in historischen Kulissen, das Thema Herrschaft und Diktatur behandelte. In seinem Augustus-Drama bringt er zu Beginn die drei größten Dichter Roms zusammen auf die Bühne, obwohl Catull längst tot war, als Augustus Kaiser wurde.
    Damit das Drama, d.h. die Handlung, beginnen kann, gibt es in Dramen selten friedliche Gespräche wie in Romanen, sondern dramatische Dialoge, Streit, Verhöre, Befehle: Worte, die zu Handlungen führen oder

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