Wer liest, kommt weiter
Christoph Koch in seinem Buch ich bin dann mal offline, ein selbstversuch, leben ohne internet und handy (2010) . Er empfiehlt, zu Hause das Internet zum Beispiel ... zwischen acht Uhr abends und acht Uhr morgens abzuschalten und einen komplett internetfreien und – falls möglich – handylosen Tag pro Woche einzulegen. Das erinnert an das freilich vergebliche Plädoyer für einen fernsehfreien Tag von Bundeskanzler Helmut Schmidt in der ZEIT vom 26. Mai 1978.
Auch rät Koch zu einem technikfreien Schlafzimmer. Das sollte vor allem für Kinderzimmer gelten. Denn Kinder können sich dem Sog der visuellen Medien kaum entziehen.
Die Sucht ist auch ein Thema in Nina Pauers Buch LG;-) Wie wir vor lauter Kommunizieren unser Leben verpassen (2012). Sie sagte in einem Interview mit dem Migros-Magazin am 1.10.12:
Die körperliche Abhängigkeit von Geräten oder auch Facebook ist bewiesen. Es gibt Studien, die gezeigt haben, daß Facebook und Twitter süchtiger machen als Alkohol. Jugendliche wurden auch gefragt, ob sie eher auf Sex oder auf ihr Smartphone verzichten würden. 70 Prozent würden lieber auf Sex verzichten.
Beispiele dafür finden wir bei Sherry Turkle. Eine etwa 16jährige sagte ihr: ›Facebook hat mein Leben an sich gerissen.‹ ... Eine andere sagt, sie könne ihr Telefon gar nicht aus der Hand legen, weil sie Angst habe, ›etwas zu verpassen‹. ... Eine Dritte fasst alles zusammen ... : ›Die Technik ist etwas Schlechtes, weil die Leute nicht so stark sind wie die Anziehungskraft, die sie ausübt. ‹
Ähnliche Wirkungen haben auch Computerspiele. Dazu noch einmal Swisscom-Chef Carsten Schloter in der Weltwoche 33 (2012): ... in Bezug auf meine Kinder – das gebe ich offen zu – bereue ich, was ich gemacht habe. ... Wenn ich die Games rückwirkend zurücknehmen könnte, würde ich es tun.
Zum Glück gibt es Gegenbewegungen. In seinem Buch Payback. Warum wir im Informationszeitalter gezwungen sind zu tun, was wir nicht tun wollen, und wie wir die Kontrolle über unser Denken zurückgewinnen (2009) schreibt Frank Schirrmacher: Ref 97
Die einzigen Revolutionäre auf unserem Planeten sind offenbar kleine Kinder. Sie begehren systematisch gegen die Technik-Fixiertheit ihrer Eltern auf... Sie spüren, dass die Computer die Aufmerksamkeit ihrer Eltern fressen und nichts mehr für sie übrig bleibt. ... Fünfjährige verstecken Blackberrys oder spülen sie die Toilette hinunter, damit ihre Eltern mit ihnen reden. Sie verordnen E-Mail freie Zonen und ertappen ihre Eltern dabei, wie sie unter dem Tisch heimlich E-Mails abschicken.
Wenn es aber so ist, daß manche technischen Geräte und die von ihnen angebotenen Programme schnell und intensiv süchtig machen können, dann müssen Eltern und Erzieher genau überlegen, wann sie ihren Kindern Geräte schenken, die nur scheinbar handlich sind. In Wirklichkeit sind es, könnte man sagen, trojanische Pferde. Sobald man sie öffnet, bekommt man es mit einem Heer von professionellen Kinderbeglückern zu tun.
Das erste Handy bekommen die Kinder von ihren Eltern geschenkt. Muß das schon mit 10 sein, wenn das Handy sehr leicht zur elektronischen Handfessel wird? Darf man Kindern Gameboys schenken, wenn man die Suchtgefahr kennt? Ist es nötig, 11jährige Schüler ins Internet zu schicken, um über griechische Götter zu »recherchieren«? Können sie das Wesentliche nicht viel schneller und einfacher aus dem Geschichtsbuch lernen?
Was also tun?
Wenn wir das Lesen als die beste Möglichkeit erkannt haben, geistige und sprachliche Fähigkeiten zu üben und zu erweitern, Wissen und Erkenntnisse zu vermehren und in der persönlichen Entwicklung weiterzukommen, dann werden wir vor allem im Interesse unserer Kinder und Jugendlichen das uns Mögliche tun, damit sie für das Lesen von Büchern, aber auch von Zeitungen und Zeitschriften die nötige Zeit und Muße finden.
Lateinisch könnte man den Rat vielleicht so zusammenfassen:
Lege, elige, dilige, intellege! Lies, wähle aus, liebe das Ausgewählte und werde klug! Wo aber und wann können wir und können die Kinder und Jugendlichen heute am besten lesen?
Doch zuvor noch ein wenig bekannter, doch besonders glaubwürdiger, kluger und herzerfrischender Appell für das Lesen aus dem 4. Kapitel der Kindheitserinnerungen Das entschwundene Land (1977) von Astrid Lindgren (1907–2002).
Astrid Lindgren: Das grenzenloseste aller Abenteuer
Heutzutage wissen ja wohl alle Eltern, daß ihre Kinder Bücher
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