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Wer liest, kommt weiter

Wer liest, kommt weiter

Titel: Wer liest, kommt weiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Denk
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die Ideen, die Idee des Guten, des Wahren, des Schönen usw. Die Ideenlehre Platons ist rätselhaft und schwer zu verstehen.
    Aber das Höhlengleichnis paßt genau zu der Situation, in der sich heute Millionen von Kindern befinden. Vor jedem Bildschirm sind die Kinder an Kopf und Füßen wie gefesselt und starren auf die »tháumata«, die Wunder, die es zu bestaunen gibt. So versäumen sie die Begegnung mit der wirklichen Welt.
    Und dann erzählt Sokrates noch, was passiert, wenn man einen losmacht, ihn nach oben ins Freie führt und ihm erklärt,
› . . . jetzt sei er der Wahrheit viel näher und sähe besser ... Er ... würde glauben, was er bis dahin gesehen, hätte mehr Wirklichkeit, als was man ihm jetzt zeigt.‹
    Kurzum: Wer aus der Höhle geholt wird, bekommt Entzugserscheinungen. Alles tut ihm weh. Er will wieder zurück in die Scheinwelt in der Höhle. Ähnliche Phänomene gab und gibt es bei täglichen Fernseh-Serien, die für manche Zuschauer realer sind als die Wirklichkeit, vor allem aber in den virtuellen Welten der Computerspiele und des Internets.
    Als 2300 Jahre nach Platon der Siegeszug der visuellen Medien tatsächlich begann, gab es sogleich prophetische Stimmen.
    Der deutsch-jüdische Philosoph und Dichter Günther Anders (1902–92) vertritt in seinem Buch Die Antiquiertheit des Menschen (1956), daß der Mensch den immer perfekteren Maschinen, die er baue, nicht gewachsen sei. Das zeigt er an der Atombombe und am Fernsehen,
    Motto seiner Philosophischen Betrachtungen über Rundfunk und Fernsehen ist ein Gleichnis zum Problem des Fortschritts:
Da es dem König aber wenig gefiel, daß sein Sohn, die kontrollierten Straßen verlassend, sich querfeldein herumtrieb, um sich selbst ein Urteil über die Welt zu bilden, schenkte er ihm Wagen und Pferd. »Nun brauchst du nicht mehr zu Fuß zu gehen«, waren seine Worte. »Nun darfst du es nicht mehr«, war deren Sinn. »Nun kannst du es nicht mehr«, deren Wirkung.
    In § 1 (Kein Mittel ist nur ein Mittel), betont er, daß es nicht darum gehe, was wir aus diesen Einrichtungen »machen«, sondern: Die Einrichtungen ... sind Fakten ..., die uns prägen.
    In § 2 schreibt er, daß das Fernsehen die Chance habe, außer der zu konsumierenden Ware auch noch die für den Konsum erforderlichen Geräte als Waren abzusetzen.
    In § 3 sieht er die Wirkungen auf die Familien voraus:
Die Möglichkeit, ... miteinander zu sprechen (wenn man das überhaupt noch will und kann), [besteht] nur noch durch Zufall. Nicht mehr zusammen sind sie, sondern nur noch beieinander, nein nebeneinander, bloße Zuschauer.
    Und in § 13 schreibt er zur Faszination der Medien:
Fernsehsendungen ... kommen der Gier und der Erschöpfung gleichzeitig entgegen; Spannung und Entspannung, Tempo und Nichtstun, Gängelung und Muße – alles servieren sie zusammen; ja, sie ersparen es uns sogar, uns auf diese Zerstreuung zu stürzen, da diese uns ja entgegenstürzt – kurz: So vielfacher Versuchung zu widerstehen, ist nicht möglich. Ref 92
    Ähnlich prophetische Texte finden wir in den drei wohl berühmtesten utopischen Romanen des 20. Jahrhunderts.
    Zunächst ein Ausflug in die Schöne Neue Welt (1932) von Aldous Huxley, in der Kinder künstlich erzeugt und staatlich aufgezogen werden. Das zweite Kapitel des Romans spielt im »Normungssaal« einer »Brutzentrale« in London im Jahr 2540. Der Chefarzt läßt sechs Pflegerinnen Schalen mit Rosen und Bilderbücher mit Fischen und Vögeln auf den Boden stellen und dann 24 acht Monate alte Babys hereinholen.
    Sie krabbeln mit freudigem Zwitschern auf die Rosen und Bilderbücher zu. Als sie dann seelenvergnügt beschäftigt sind, drückt die Oberpflegerin auf Befehl des Direktors zwei Hebel.
    Der eine löst einen ohrenbetäubenden Lärm aus, der andere schickt Stromstöße durch den Fußboden, so daß die Babys sich vor Schmerzen winden. Warum? Die Kinder, so der Chefarzt, sollen lernen, daß Blumen und Bücher abscheulich sind:
So wachsen sie mit einem, wie die Psychologen zu sagen pflegten, ›instinktiven‹ Haß gegen Bücher und Blumen auf. Wir normen ihnen unausrottbare Reflexe ein. Ihr ganzes Leben lang sind sie gegen Druckerschwärze und Wiesengrün gefeit.
    Warum aber sollen sie dazu erzogen werden, die Natur langweilig zu finden? Weil Blumen und Landschaften einen großen Fehler hätten: sie seien gratis und brächten nichts ein! Um Geschäfte zu ermöglichen, werden jedoch alle Freiluftsport arten gefördert (all country

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