Wer liest, kommt weiter
brauchen ... oder etwa nicht? Falls es noch welche geben sollte, die das nicht wissen, dann kommt zu mir, liebe Freunde, damit wir darüber reden, denn mir liegt sehr viel daran, euch zu überzeugen. Ich weiß zwar nicht, was ihr euch für euer Kind erträumt und erhofft, aber ich weiß, daß es für alle Wechselfälle des Lebens besser gerüstet ist, wenn es lesehungrig ist.
Was eigentlich wünscht ihr euch für euer Kind ... vielleicht zunächst einmal etwas so Banales wie, daß es in der Schule gut vorankommt? Ja, aber dann müßt ihr ihm den Weg zum Buch weisen, und zwar nicht nur zum Lehrbuch, sondern auch zu solchen Büchern, die seine Lesegier einzig und allein dadurch wecken, daß sie lustig und spannend sind. Ist es nicht wunderbar, daß euer Kind nur dadurch, daß es etwas tut, was ihm Spaß macht, sich um vieles besser ausdrücken und schreiben lernt und so viel mehr über die Welt erfährt, selbst über so was, das man in der Schule können muß?
Habt ihr guten Kontakt zu eurem Kind? Oder kapselt es sich in einer eigenen Welt ab, zu der ihr keinen Zutritt habt? Wünscht ihr mitunter, ihr wüßtet ein wenig mehr darüber, was in ihm vorgeht? Ja, aber dann müßt ihr ihm den Weg zum Buch weisen! Zusammen mit eurem Kind müßt ihr lustige oder auch traurige Bücher lesen, egal welche. Eins weiß ich, ihr werdet bald entdecken, daß diese Bücher das beste Verbindungsglied sind, das es gibt. Vertrautheit stellt sich ein, wenn ihr zusammen über ein Buch lacht oder weint. Und vieles von dem, was euer Kind innerlich beschäftigt hat, kommt zur Sprache, wenn ihr euch über das Gelesene unterhaltet. Ref 98
Was erwünscht und erhofft ihr euch noch für euer Kind? Womöglich hegt ihr gar sehr hohe Erwartungen und träumt davon, daß es eines Tages zu denen gehört, die die Welt verändern und sie zu einem besseren Platz für die Menschen machen? Einige müssen ja in jeder Generation zu den Wegbereitern der Menschheit gehören, warum nicht auch euer Kind? Ja, aber dann müßt ihr ihm den Weg zum Buch weisen! Und das muß jetzt gleich geschehen, denn findet es den Weg nicht als Kind, dann findet es ihn nie und wird auch nie ein Weltverbesserer, glaubt mir! Ihr könnt ja einmal die Probe aufs Exempel machen. Nehmt zehn jetzt lebende Menschen, die ihr hochschätzt und von denen ihr meint, daß sie wirklich etwas für die Menschheit geleistet haben, geht zurück bis in ihre Kindheit, blättert die Jahre um, und ich bin davon überzeugt, ihr findet zehn kleine Leseratten. Vielleicht waren es nicht immer sogenannte »gute« Bücher, die sie gelesen haben, aber gelesen haben sie, dessen bin ich sicher. Die Bücher gaben ihrer Phantasie Nahrung, und Phantasie war genau das, was sie brauchten, als sie sich als Erwachsene anschickten, die Welt zu verändern. Denn alles, was geschieht, muß zunächst einmal in der Phantasie eines Menschen Gestalt annehmen, wie sonst sollte es entstehen?
Nun will dies natürlich nicht besagen, daß alle Leseratten und Bücherwürmer mit der Zeit zu schöpferischen Menschen und Neugestaltern heranwachsen, und vielleicht sind eure Träume für euer Kind auch gar nicht so hochfliegend. Ihr wünscht euch nur, daß es, wo immer sein Platz in dieser Welt später sein mag, einigermaßen glücklich werde. Zum Glück oder Unglück eures Kindes könnt ihr nicht allzuviel beitragen. Eins aber könnt ihr tun, ihr könnt ihm zeigen, wo Trost zu finden ist, wenn es traurig ist, und wo Freude und Schönheit zu finden sind, wenn das Leben ihm grau erscheint, und überdies könnt ihr ihm Freunde schenken, die nie enttäuschen ... ja, ihr könnt ihm den Weg zum Buch weisen! Aber wie gesagt, es muß gleich geschehen. Jetzt gleich, wo euer Kind sechs oder acht oder zehn oder zwölf Jahre alt ist, da muß es geschehen. Hinterher ist es zu spät. Zu spät für Schneewittchen und Doktor Dolittle, zu spät für Tom Sawyer und Robinson Crusoe, zu spät für so viel Freude und so viele aufregende Erlebnisse, endgültig zu spät. Zu spät, um den Weg zu finden, der zu dem grenzenlosesten aller Abenteuer führt.
Die 3. Frage: Wo, wann und wie können wir lesen?
In der deutschen Sprache, in die wir hineingewachsen und in der wir aufgewachsen sind, beginnen alle Fragewörter mit W.
Wir fragen nach Personen mit »wer?«, nach Sachen und Handlungen mit »was?«, und nach Grund oder Zweck: warum, weshalb, weswegen, wieso, wofür, wozu?
Drei solche Fragen haben wir bisher zu beantworten versucht. Wer soll lesen und lesen
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