Wer morgens lacht
nicht von meinem Schrank wenden, Rauchgeruch kroch mir in die Nase und ließ sich auch nicht vertreiben, wenn ich die Decke über den Kopf zog, im Gegenteil, der Rauchgeruch wurde immer stärker. Die Puppe schien in meinem Schrank zu schwelen, gleich würden Flammen aus dem Holz schlagen, das Feuer würde auf mein Bett übergreifen und ich würde verbrennen, und nicht nur ich, das ganze Haus würde verbrennen, samt allen Menschen, die darin schliefen. Meine Panik wuchs.
Schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Ich holte das Bild mit der Puppe aus dem Schrank, zog die Nadeln heraus und faltete den Karton so oft zusammen, bis nur noch ein kleiner Würfel übrig blieb. Diesen Würfel steckte ich samt Nadeln in die Tasche meines dunkelblauen Mantels, den ich über meinen Schlafanzug zog, weil ich fürchtete, irgendjemand, vielleicht sogar Marie, könnte zufällig am Fenster stehen und in die Nacht hinausschauen, dem würde ich in meinem hellen Schlafanzug trotz der Dunkelheit bestimmt auffallen. Nun drückte ich leise die Zimmertür auf und horchte. Von oben war nichts zu hören, trotzdem wartete ich lange, so lange, bis ich sicher war, dass meine Eltern und Marie schliefen. Erst dann schlich ich durch die Küche zur Hintertür, schob den Riegel zurück, schloss die Tür auf und öffnete sie nur so weit, dass ich mich durch den Spalt ins Freie schieben konnte.
Der Garten lag gespenstisch dunkel vor mir, die Johannisbeersträucher im hinteren Teil, hinter dem Rasen und den Gemüsebeeten, waren noch nicht einmal als Schatten zu erkennen. Ich wünschte mir, der Mond würde hinter einer Wolke hervorkommen, ganz fest wünschte ich es mir, und da geschah es, die Wolkendecke riss auf und der Garten war plötzlich in milchweißes Licht getaucht.
Vorsichtig schlich ich von einem Schatten zum nächsten, meine Füße wurden feucht und kalt vom nassen Gras, denn ich war barfuß, wagte aber nicht, noch einmal zurückzugehen, um Schuhe anzuziehen, vielleicht glaubte ich ja auch, es geschähe mir ganz recht, jedenfalls schlich ich mich mit nackten Füßen bis zu der Stelle hinter den Johannisbeersträuchern, wo wir, Marie und ich, immer die toten Tiere begraben hatten. Dort ließ ich mich auf die Knie fallen, wühlte mit bloßen Händen eine Grube, legte den Puppenwürfel und die Nadeln hinein, deckte alles mit Erde zu und klopfte sie mit der flachen Hand fest, bevor ich von einem anderen Grab einen Stein nahm und ihn auf die Stelle legte, unter der ich die Puppe begraben hatte.
Der Mond war wieder hinter den Wolken verschwunden, ich zitterte vor Kälte. Einen Moment lang blieb ich stehen, um der Puppe nachträglich eine gute Sterbestunde zu wünschen, wie wir es immer bei den toten Tieren getan hatten, dann schlich ich zurück ins Haus, legte den Riegel vor, der diesmal erschreckend laut quietschte, und drehte den Schlüssel im Schloss. Ich wagte nicht, das Küchenlicht anzumachen, im schwachen Schein, der durch das Fenster fiel, reinigte ich mir am Spülbecken notdürftig Hände und Füße, so gut es eben ging, dann tastete ich mich zurück in mein Zimmer, machte das Fenster zu und kroch ins Bett. Erst am nächsten Morgen, als ich aufs Klo ging, sah ich, dass die Knie meiner Schlafanzughose grau und schmutzig waren, ich wusch die Flecken mit Seife sauber und drückte sie gründlich mit einem Handtuch aus. Hoffentlich würden die nassen Stellen bis abends getrocknet sein, damit niemand etwas merkte.
Beim Frühstück sagte meine Mutter plötzlich, verdammt, Anne, was hast du für dreckige Fingernägel, so kannst du nicht in die Schule gehen, los, wasch dich.
Ich fühlte mich ertappt, rannte die Treppe hinauf ins Bad und fing an zu schrubben, ich schrubbte mit der Bürste, mit Seife, mit heißem Wasser, bis meine Haut brannte. Den Schmutz bekam ich los, nicht aber die Kainsmale, die bei mir aus zwei abgebrochenen Nägeln an der rechten Hand bestanden, am Zeigefinger und am Mittelfinger. Tagelang hielt ich die Hand zur Faust geballt, um die abgebrochenen Nägel zu verstecken, aus Angst, jeder würde erkennen, was ich getan hatte, und ich vermied es auch lange, aus meinem Fenster hinaus in den Garten zu schauen, um die Johannisbeersträucher nicht sehen zu müssen.
Ich weiß nicht, wie ernst ich das Ganze damals genommen habe, manchmal dachte ich, es war nur ein dummes Spiel, aber dann wuchs wieder das Gefühl von Schuld, ich kämpfte dagegen an und sagte mir, ich bin nicht Kain und Marie ist nicht Abel, und zuweilen schaffte ich
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