Wer nach den Sternen greift
schaute ihnen zu. Sie war erleichtert, als Oliver Alex mühelos besiegte. Nichts fand ein Mann unangenehmer, als wenn eine Frau ihn bei irgendetwas besiegte.
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Ein Diener in weißem Jackett erschien mit drei Gläsern Limonade.
»Möchten Sie die Stallungen sehen?«, fragte Oliver, wobei er Sophie in die Einladung einschloss.
Die Stallungen lagen einen Kilometer entfernt, auf der anderen Seite eines Wäldchens. Sie brauchten zwar einen frischen Anstrich, waren aber ansonsten in tadellosem Zustand, und die Pferde waren hervorragend gepflegt.
»Soll ich Ihnen das Dorf zeigen?«, fragte er, nachdem er sie in den Ställen herumgeführt hatte. Ohne ihre Antwort abzuwarten, wies er einen Stallburschen an, den Einspänner vorzufahren. »Es ist ein netter Ausflug, und Sie lernen die Umgebung ein wenig kennen.«
Sophie sagte sich, dass er versuchte, Alex zu beeindrucken, aber sie freute sich doch, dabei zu sein, zumal er ja mit Alex nicht ohne Begleitung hätte ausfahren dürfen.
Während sie unter einem milchig blauen Himmel dahinfuhren, erzählte Oliver den beiden Frauen etwas über die Geschichte des Schlosses.
»1700 gewann der erste Herzog die Schlacht von Durgan, und der König belohnte ihn mit Land und genügend Gold, damit er dieses Schloss bauen konnte. Über die Jahre wurde es immer wieder erweitert, aber in den letzten hundert Jahren ist nicht mehr allzu viel daran getan worden, wie Sie sehen können.«
Sophie dachte, er braucht Geld, um es restaurieren zu können. Einem besseren Zweck konnte ihr Geld gar nicht zugeführt werden.
Sie fuhren durch einen hohen Marmorbogen. Dahinter lag das Dorf.
»Das ist Woodmere«, sagte er. »Sie sind auf dem Weg vom Bahnhof sicher hier durchgekommen.«
Wenn sie an Dorfbewohnern vorbeifuhren, knicksten die Frauen, und die Männer zogen grüßend die Mützen. Sophie lächelte. Wenn alles nach Plan verlief, würden sie bald auch Alex mit Knicks und Verbeugung begrüßen. Sie selbst mochte ja in New York den Gipfel erreicht haben, aber vor ihr knickste niemand. Bei dem Gedanken schlug ihr das Herz bis zum Hals. Ihre Tochter eine Herzogin! Natürlich war der Herzog noch sehr lebendig und auch noch relativ jung, aber trotzdem …
»Alles sieht so alt aus. Und die Dächer sind mit Stroh gedeckt«, sagte Alex und dachte an die kühle Marmorpracht, in der sie aufgewachsen war.
Oliver nickte. »Dieser Ort geht zurück auf das sechzehnte Jahrhundert.«
»Auf das sechzehnte Jahrhundert! Du liebe Güte, er ist ja älter als Boston oder Plymouth Rock.«
Oliver warf Alex einen herablassenden Blick zu.
»Ein wenig weiter liegt Stratford, wo Shakespeare geboren wurde. Diese Orte hier wirken wie aus einer anderen Zeit, auch wenn sie schon moderne Elemente aufweisen. In einigen Häusern hier gibt es schon Strom, und ein oder zwei haben sogar Badezimmer.«
»Aber die Straßen werden immer noch mit Gaslaternen beleuchtet.« In Amerika waren selbst die entlegensten Dörfer nicht so rückständig, dachte Alex.
»Absolut charmant«, murmelte Sophie, damit Alex sich nicht allzu kritisch äußerte.
»Arbeiten alle hier für das Schloss?«
»Nicht alle«, erwiderte Oliver. »Unsere Gärtner leben hier und die Pferdeknechte, und außerdem ein paar Zofen, obwohl die meisten oben im Schloss wohnen. Einige der Lakaien leben auch hier im Dorf. Das ist unterschiedlich. Wenn sie aus dem Dorf kommen, bleiben sie auch hier; und wenn sie von woanders kommen, wohnen sie bei uns. Der Metzger lebt im Dorf und hat auch seinen eigenen Laden, obwohl wir ebenfalls unsere eigenen Schafe, Rinder und Schweine haben.«
»Keine Hühner?«
»O doch, natürlich.« Er warf ihr einen Blick zu. Manchmal wusste er nicht, ob sie ihre Fragen ernst meinte oder ihn nur necken wollte.
»Wozu brauchen Sie dann einen Metzger?«
»Nun ja, in erster Linie für das Dorf. Und er kommt auch zu uns, um unsere Tiere zu schlachten. Dann gibt es hier noch die Apotheke, den Kerzenmacher, die Schneider … alles, was man eben so braucht. Da ist die Kirche.«
»Sie ist entzückend!«, rief Sophie aus. An der Ecke stand eine alte Steinkirche, deren westliche Mauer völlig von Efeu überwuchert war.
»Dort ist der Pfarrer«, sagte Oliver und winkte. Der Geistliche erwiderte lächelnd den Gruß und musterte die beiden Frauen.
»Er ist seit über dreißig Jahren hier«, erklärte Oliver. »Er hört nicht mehr allzu gut, aber morgen wird es das gesamte Dorf wissen, dass ich mit zwei unbekannten
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