Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)
zu einer allseits beliebten Cheerleaderin umdrehte und sagte: »Ich zeig dir meinen Arsch, okay? Er ist wirklich sensationell, aber bitte versuch dich zu beherrschen.« Er war frech und vorlaut, und ich verliebte mich sofort in ihn. Nachdem ich seinen Stundenplan ausspioniert hatte, arrangierte ich es so, dass wir uns auf den Schulfluren begegneten. Ich flirtete ganz unverhohlen mit ihm, und einmal haute ich ihn auf den Hintern, als er an mir vorbeiging.
»Hey, das Anfassen der Ware ist verboten!«, rief er.
Nachdem wir ein paar Wochen lang miteinander ausgegangen waren, lud er mich zu einer Abendveranstaltung des Reserveoffizier-Ausbildungskorps ein. Ich lieh mir von einer Freundin ein blaues Satinkleid, in dem es so aussah, als hätte ich Brüste, und meine Mutter machte mir für den besonderen Anlass eine Föhnfrisur. Wir tanzten gerade zu einem langsamen Lied, als ein Dutzend Kumpels zu Josh kam: »Es ist gleich so weit!«
»Was ist so weit?«, fragte ich.
»Ja, da ist was, was ich dich fragen wollte.«
»Okay …« Mir klopfte das Herz bis zum Hals. Er wollte mich also fragen, ob ich fest mit ihm gehen wollte. Hier, vor allen Leuten!
»Ich hab da so ein Ritual seit meinem ersten Ball des Ausbildungskorps. Und zwar geh ich auf alle viere und galoppiere buckelnd einmal um die Tanzfläche«, erklärte er. »Aber ich hatte mir gedacht, vielleicht möchtest du dich dieses Jahr auf meinen Rücken setzen?«
Als mir aufging, dass es ihm damit tatsächlich ernst war, hatte sich schon ein großer Kreis um uns gebildet. Irgendjemand hatte eine Videokamera gezückt, und Josh ging auf alle viere und warf mir über die Schulter einen »Na, was meinst du?«-Blick zu. Wenn der Junge, in den man verknallt ist, einen vor lauter Gleichaltrigen fragt, ob man nicht bei irgendeinem ausgeklügelten Blödsinn mitmachen will, gibt es eigentlich nur eine Reaktion. Ich raffte also mein bodenlanges Kleid hoch, kletterte auf seinen Rücken und hielt mich fest, so gut ich konnte.
Die Beziehung hielt anderthalb Jahre. In dieser Zeit überboten wir uns gegenseitig mit romantischen Gesten, wie man sie nach seiner Teenagerzeit wohl nie wiederholt. Er machte sich an den Schullautsprechern zu schaffen und bat mich in einer öffentlichen Durchsage, mit ihm auf den Abschlussball zu gehen. An seinem Geburtstag schickte ich ihm ein singendes Telegramm. Ich setzte eine Anzeige in den Houston Chronicle , in der ich ihm meine Liebe erklärte. Er bedeckte mein Auto mit Rosen, während ich arbeitete.
»So was könnte einem in New York ja nie passieren«, warf Jessica ein. »Da würde sofort jemand die Rosen klauen.«
»Und die Kühlerfigur gleich mit«, fügte Chris hinzu.
In der Nacht, in der er zum ersten Mal »Ich liebe dich!« sagte, erschien Josh im Dreiteiler auf meiner Schwelle und führte mich zum Candlelight-Dinner in ein Restaurant in Houston aus. Hinterher spazierten wir Hand in Hand durch einen nahegelegenen Park und kamen dabei an einem beeindruckenden Springbrunnen vorbei. Er hob mich hoch, stieg mit mir auf den Rand des Brunnens und machte ein paar langsame Tanzschritte. »Ich liebe dich«, sagte er. Dann grinste er schelmisch und ließ mich fallen, sodass ich samt Cocktailkleid pitschnass wurde. Ich schubste ihn ins Wasser, und er begann, mich anzuspritzen. Irgendwann hatte unser schallendes Gelächter ein Publikum angelockt, und alle klatschten Beifall, als wir schließlich aus dem Brunnen stiegen und uns verbeugten.
Meine Beziehung zu Matt war so beständig, dass sie fast schon vorhersehbar wurde. Josh hatte mir lange Briefe geschrieben, in denen er mir detailliert jede Seite an mir schilderte, die er liebte, und mir versicherte, dass er jederzeit für mich sterben würde. Matt gab mir zu unserem dritten Jahrestag eine Karte, auf die er geschrieben hatte: »Ich bin dankbar, dich in meinem Leben zu haben. Ich liebe dich. Dein Matt.« Ich bin dankbar, dich in meinem Leben zu haben . Das war nett, aber so etwas sagte ich auch mal zu Freunden. Verdammt, ich glaube, das hatte ich sogar schon mal zu meinem Friseur gesagt. War das genug Leidenschaft? Würde mir das ein Leben lang genügen?
Jessica lächelte nachdenklich und ließ den Wein in ihrem Glas kreisen. »In New York können wir immer von allem das Beste haben. Es ist eine Stadt mit unbegrenzten Möglichkeiten. Also gewöhnen wir uns an den Gedanken, dass es irgendwo da draußen noch etwas Besseres gibt, denn das ist eigentlich immer so: eine bessere Wohnung, ein besserer
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