Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)
Job, besseres Essen in einem besseren Restaurant gleich um die Ecke. Wir sind nie zufrieden. Diese Stadt hat uns darauf dressiert, ständig an die Möglichkeit zu denken, dass es ja noch was Besseres geben könnte. Und deswegen merken wir es nicht mehr, wenn wir tatsächlich den Richtigen gefunden haben. Was meint ihr, warum die New Yorker später heiraten als alle anderen in diesem Land?«
»Warum habt ihr euch getrennt, Josh und du?«, wollte Chris wissen.
»Er war ein Jahr älter als ich und ging nach Boston aufs College. Wir führten zuerst noch eine Fernbeziehung, aber es war einfach zu schwierig, in so verschiedenen Welten zu leben«, sagte ich. »Wisst ihr, wann ich gemerkt habe, dass es vorbei ist? Zu unserem Anderthalbjährigen hatte ich eine Schnitzeljagd für ihn vorbereitet, bei der ihn die Hinweise an lauter Orte führten, die für unsere Beziehung irgendeine Bedeutung gehabt hatten. Zum Schluss sollte er sein Geschenk finden, das ich an dem Brunnen versteckt hatte, an dem er mir gesagt hatte, dass er mich liebt. Aber als ich ihm den ersten Hinweis überreichte, seufzte er nur genervt. ›Wie lange wird das dauern?‹, fragte er. ›Meine Mutter braucht das Auto.‹«
Am nächsten Tag stieg ich in D. C. aus dem Bus, in dem unangenehmen Bewusstsein, dass Josh mich eher sehen würde als ich ihn. Irgendwann entdeckte ich ihn in einem silbernen Kombi, aus dem er mir zuwinkte. Sein Haaransatz war ein wenig zurückgegangen, aber ansonsten hatte er sich überhaupt nicht verändert.
»Wie wäre es mit einem Burger zum Mittagessen?«, schlug er vor, als ich einstieg.
Beim Essen erzählten wir uns von unseren Familien. Ich freute mich zu hören, dass der Brustkrebs seiner Mutter nicht zurückgekommen war. Er war erschüttert zu hören, dass meine kleine Schwester, die noch ein Kleinkind gewesen war, als wir ein Paar waren, inzwischen vierzehn war und selbst einen Freund hatte. Wie er mir erzählte, hatte er sich bei mehreren Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten um einen Job beworben und wartete derzeit auf Antworten.
Nach dem Essen fuhren wir zum Weißen Haus und anderen Sehenswürdigkeiten, die er mir aus dem Fenster zeigte, während wir mit 80 km/h daran vorbeibretterten.
An einer roten Ampel fragte er: »Wo willst du eigentlich dein Interview abhalten? In einem Café oder so?«
Ich zögerte. Plötzlich fühlte ich mich so verletzlich. Ich hatte Angst, dass ich in Tränen ausbrechen könnte, wenn ich ihm in die Augen sah und er irgendetwas sagte, was ich nicht hören wollte. Und ich wollte nicht, dass meine Tränen seine Antworten irgendwie beeinflussten. Doch ich spürte, dass ich die Fassung würde wahren können, wenn wir hier im Auto nebeneinander saßen und geradeaus blickten.
»Wie wäre es, wenn wir einfach weiter durch die Gegend fahren und ich dir die Fragen im Auto stelle?«
Wenn er das irgendwie seltsam fand, ließ er es sich zumindest nicht anmerken. »Okay. Aber du zahlst das Benzin.«
Er lenkte seinen Kombi nach Hains Point im East Potomac Park. Ich merkte, dass wir in einem großen Kreis fuhren. Diese Runden hatten etwas Beruhigendes, Meditatives. Der Psychoanalytiker C. G. Jung glaubte, dass man leichter in sein Unterbewusstsein vordringen kann, wenn man Kreise malt. Das Erste, was Kinder malen, sind Kreise. Für Jung symbolisierten sie den Kampf und die Versöhnung der Gegensätze und die Wiedervereinigung des Selbst.
Wenn ich Matt mitrechnete, war ich nach Josh nur mit drei Männern zusammen gewesen. Bei den wenigen Gelegenheiten in den letzten zehn Jahren, bei denen ich mit Josh mal einen Kaffee getrunken hatte, hatte ich ihn nie nach seinem Liebesleben befragt. Jetzt holte ich tief Luft.
»Okay, erste Frage: Wie viele Freundinnen hattest du nach mir?«
Er lachte auf eine warmherzige Art, und auf einmal kam mir meine Frage sehr teeniehaft vor. »Ach Gott, da muss ich mal kurz überlegen. Schwer zu sagen eigentlich. Zählt es schon, wenn ich ein paarmal mit einer ausgegangen bin, oder gelten nur Beziehungen, die über ein Jahr gehalten haben?«
Ich war überrascht und auch wieder nicht überrascht, als ich erfuhr, dass Josh eine beträchtliche Zahl von Exfreundinnen vorzuweisen hatte. Es gab sogar eine ganze Untergruppe von Mädchen, die Amy hießen. Mir wurde mit einem Mal peinlich bewusst, dass unsere Beziehung nicht zu den entscheidenden Liebesbeziehungen seines Lebens gehört hatte. Ich hatte Josh nicht so viel bedeutet wie er mir. Ich war nur ein Intermezzo, eine
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