Wer nichts weiß, muss alles glauben (German Edition)
hielte.
Aber die Idee von der Wasserbelebung hat ein Johann Grander ohnedies nicht der Natur abgeschaut, er hat sie vielmehr von Jesus Christus persönlich eingeflüstert bekommen. Das Prinzip ist denkbar einfach: Granderwasser befindet sich angeblich in einem Zustand „höherer Ordnung“ und enthält bestimmte Naturinformationen, was immer das auch sein soll. Wenn jetzt normales Wasser, das nicht so informiert ist wie Granderwasser, neben diesem zu stehen kommt oder an ihm vorbeifließt, so nimmt es, ohne mit dem Wunderwasser in Berührung zu kommen und ohne jegliche Energiezufuhr dessen „Information“ auf und gelangt dadurch in einen „Zustand höherer Ordnung“. Gramgebeugtes Wasser wird also von Granderwasser mit Informationsvorsprung quasi im Vorbeifließen gesegnet.
Das kann man natürlich nur glauben wollen, denn beweisen lässt sich Derartiges nicht. Es widerspricht fundamental dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik. Der besagt, dass jedes System ohne Energieaufwand in einen Zustand höherer Entropie, das heißt niedrigerer Ordnung übergeht. Das bedeutet, die Herstellung höherer Ordnung beziehungsweise Informationsübertragung ist ohne Energieaufwand unmöglich. Volkstümlicher ausgedrückt: Die Spielsachen im Kinderzimmer heben sich nicht von selbst vom Boden auf, das muss wer machen.
Würde stimmen, was Johann Grander behauptet, bräuchte man, um die ganze Welt an den Wohltaten der wiederbelebten UrInformation teilhaben zu lassen, nur eine Flasche mit, sagen wir, einem Liter Granderwasser im Meer zu versenken. Mit der Zeit müsste sich das gesamte Wasser der Ozeane in eine höhere Ordnung hinaufhanteln und man könnte sich den Hokuspokus rund um die Wasserbelebung sparen. Und zwar weltweit. Im Grunde genommen müsste das bereits passieren, weil ja tatsächlich Granderwasser im Umlauf ist, aus Schwimmbädern verdunstet und als Abwasser umherfließt. Sie brauchen also gar kein belebtes Wasser kaufen, sondern nur warten und sich vielleicht – wenn Sie nichts Besseres zu tun haben – bei Jesus Christus bedanken, dass er Johann Grander das Geheimnis zur Wasseraufbereitung verraten hat. Allerdings hätte, wenn das Prinzip denn funktionierte, Jesus Christus seinen Geheimnisträger schlecht gewählt. Dann hätte der Gesalbte nämlich die Bauanleitung für ein Perpetuum mobile geliefert, mit dem man einen Gutteil unserer Energieprobleme lösen könnte, aber der Geheimnisträger weiß damit nichts Besseres anzufangen, als wirkungslose Wasserbelebungsgeräte herzustellen. Wenn er dafür zu Hause Schimpf bekäme, bräuchte sich der Menschensohn freilich nicht beschweren.
Trinkwasser
Seit die Menschheit Landwirtschaft betreibt, beschäftigt sie ein großes Problem: die Versorgung mit sauberem Trinkwasser. Durch die Fäkalien der Menschen und Tiere wurde auch das Wasser in der unmittelbaren Umgebung verseucht. Deshalb haben in Europa viele Menschen vor allem Bier und Wein getrunken; bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts waren dies die bevorzugten Flüssigkeiten – sie waren halbwegs sauber.
In Asien ging man einen anderen Weg. Dort erkannte man, dass man sauberes Wasser erhält, wenn man es abkocht. Allerdings schmeckt abgekochtes Wasser eher fad. Deshalb gaben die Asiaten gern Teeblätter in das abgekochte Wasser. Was macht man, wenn man Durst und kein sauberes Wasser hat? Man nimmt eine durchsichtige Kunststoffflasche – kein Glas – und füllt diese mit dem unsauberen Wasser. Dann legt man die Flasche für mindestens drei Stunden in grelles Sonnenlicht. Das Wasser wird so stark erwärmt, dass die Rest. Das Wasser schmeckt dann vielleicht nicht besonders gut, aber es ist sauber.
Was dem Wasser noch gerne angedichtet wird, ist sein phänomenales Gedächtnis. Wieder ein Zitat von der Website der Firma Grander, allerdings pars pro toto für die gesamte Wasseresoterikerszene: „All diese guten und schlechten Einflüsse werden vom Wasser aufgenommen und gespeichert. Sein Gedächtnis lässt sich mit einem Tonbandgerät vergleichen, das physikalische Schwingungen aufnehmen und beliebig oft wiedergeben kann. Dabei bleiben die ursprünglich gespeicherten Informationen erhalten und verändern sich nicht. Allerdings: Wo und wie das Wasser all diese Informationen speichert – das ist nach wie vor ein wissenschaftliches Rätsel.“
Auch hier ist alles falsch. Das Gedächtnis des Wassers ist mitnichten ein „wissenschaftliches Rätsel“. Wasser kann sich nämlich einfach nicht sehr lange erinnern.
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