Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
und streckte ihr eine Hand entgegen. »Nein, ich bin vom Radio. Mein Name ist Emma Vonderwehr. Und Sie sind …«
»Hansen. Lina Hansen. Vom Radio?«
»Frau Hansen, wissen Sie, wo Ihre Nachbarin jetzt ist?«
Lina Hansen senkte den Arm mit der Taschenlampe.
»Ich hör ja so gern das klingende Sonntagsrätsel. Sagen Sie mal, wer denkt sich das denn immer aus?«
»Frau Hansen, ich suche Ihre Nachbarin.«
»Ja, die. Die ist weg.«
»Wissen Sie, wo sie hingegangen ist?«
»Also, wenn ich ehrlich bin«, die Hansen sah prüfend die junge Frau an, die da vor ihr stand. Eigentlich war sie hübscher als die Fernsehansagerinnen, aber mit der Frisur konnte sie wirklich nur im Radio arbeiten, »ich hab schon überlegt, ob ich die Polizei anrufen soll. Da war mal so ein netter Beamter hier, Nelke oder …«
»Blume?«
»Ja!« Die alte Frau strahlte. »Kennen Sie den auch?«
»Warum wollten Sie ihn anrufen?«
»Wir passen hier nämlich aufeinander auf. Meine Toch ter lebt in Neuseeland. Sie hat da jemanden kennengelernt, der ein Hotel hat, also, kein richtiges Hotel, aber so eine Art. Und meine Enkelin …«
»Frau Hansen, was ist mit Gesine Lorenz?«
»Da war so ein Mann.« Die Hansen senkte ihre Stimme. »Gepflegt. Schöne dunkle Haare. Aber irgendwie war die Frau Lorenz komisch.«
»Wie komisch?«
»Wissen Sie, die Frau Lorenz, das ist ein feiner Mensch. Leise ist die. Als die hier einzog, dachte ich erst, jetzt wird’s hier anders. So eine junge Frau, die will sich doch amüsieren, oder? Aber die ist nicht so. Höflich, grüßt immer und …«
Die Frau vor ihr stöhnte.
»Bitte, Frau Hansen, sagen Sie mir …«
»Ja, das tue ich doch. Sie war so laut!«
»Wie, laut?«
»Sie hat so laut geredet. Das ist nicht ihre Art. Ich dachte, vielleicht macht sie das mit Absicht. Sie weiß doch, dass ich hier oben stehe und nach dem Rechten sehe. Heutzutage muss man aufeinander aufpassen, sonst …«
Die Frau fasste sie am Arm. Sanft zwar, aber das mochte Lina Hansen nicht, sie bekam immer so schnell blaue Flecke.
Deshalb sagte sie schnell:
»Von einer Kirche hat sie was gesagt. In Brandenburg. Dass sie keine Lust hätte, da jetzt hinzufahren.«
»Hat sie den Mann mit einem Namen angesprochen?«
»Ja, das war ja auch so komisch. Unnatürlich, oder? Irgendwas mit Wald!«
»Eichwald?«
»Ja. Aber nicht Herr oder den Vornamen oder so, es klang richtig unhöflich, wissen Sie, so ist sie sonst nicht, ich sag immer zu meiner Enkelin …«
»Danke!«
Die junge Frau drehte sich um und rannte aus der Wohnung, die Treppe wieder hinunter. Lina Hansen sah ihr nach. Dann ging ihr Blick über das kahle Zimmer. Wohnten junge Leute jetzt so? Sie machte sich Sorgen um ihre Nachbarin. Hoffentlich hatte sie sich nicht mit den falschen Leuten eingelassen. Sie seufzte und ging zur Tür. In der Hand hielt sie noch immer die große schwere Taschenlampe. In letzter Zeit liefen hier so viele Ausländer herum. Dabei war das so eine gute Gegend gewesen, damals, als sie hierhergezogen war. Sie zog die Tür hinter sich zu und stieg langsam wieder die Treppe hoch.
E mma zog noch im Laufen ihr Handy aus der Tasche. Sie drückte auf Blumes Nummer, klemmte sich das kleine Gerät zwischen Ohr und Schulter und öffnete ihre Autotür.
»Ja?«
Schon wieder Johann. Emma holte tief Luft.
»Johann, ich bin’s, Emma. Bitte leg nicht auf, es ist wirklich wichtig, dass du jetzt deinen Papa ans Telefon holst.«
Johann schwieg. Dachte er nach? Emma ließ den Motor an.
»Hör mal, dein Papa jagt doch Verbrecher. Und ich weiß da was, das muss ich ihm sagen, das hilft ihm bei der Arbeit, verstehst du?«
»Mach ich aber nicht.«
Schon wieder aufgelegt! Emma schrie vor Anspannung laut auf und schlug auf das Lenkrad. Eine Frau mit Hund drehte sich erschrocken auf dem Bürgersteig um. Emma sah auf das Handy und wählte wieder die Nummer von Blume. Es klingelte. Als Johann ranging, legte sie wieder auf und wählte erneut. Hoffentlich wirft Johann das Telefon nicht weg, dachte sie, während sie blinkte und rasch aus der engen Parklücke fuhr. Oder der Akku ist alle. Sie gab Gas und lauschte angespannt. Beim vierten Mal ging Blume ran.
»Emma, bist du das? Tut mir leid, ich hab gar nicht …«
»Er hat die Lorenz!«
»Wer? Wer hat…?«
»Eichwald! Er hat die Lorenz und fährt mit ihr nach Brandenburg! Die Alte bei ihr im Haus hat sie belauscht.«
Die Ampel sprang zu Rot um, Emma gab Gas. Dann rief sie in den Hörer:
»Vielleicht hattest du Recht,
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