Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
sich anonym unter Fantasienamen an. Selbst wenn der Administrator den Teilnehmer sperrt – was nicht gesagt ist –, dann hat der morgen eine neue Identität im Netz.«
Emma kaute auf ihrem Brot, das ihr jetzt nicht mehr schmeckte.
»Dann hat es doch gar keinen Sinn.«
»Oh doch. Rechte müssen Gegenwind spüren. Das nervt sie, kostet Anstrengung und verunsichert.« Weiß nahm den restlichen Schinken von der Platte. »Und manchmal ist der Aggressor schlicht zu faul, das Ganze noch einmal zu starten.«
»Oder er hat gerade andere Sorgen.«
Weiß sah sie an, dann nahm er das Blatt in die Hand. Er tippte die Webadresse in sein Smartphone und fragte, ohne hochzusehen:
»Schmitz?«
»Sie haben davon gehört?«
Er nickte.
»Noch einer von denen. Was ist das, ein Bandenkrieg?«
Emma schluckte. Sie wusste nicht, was sie ihm erzählen durfte, ohne Blumes Ermittlungen zu gefährden.
Weiß beugte sich vor und sah ihr ins Gesicht.
»Wissen Sie, was ich denke?«
Sie lehnte sich ebenfalls über den Tisch. Ihre Gesichter waren jetzt ganz nah beieinander. Langsam schüttelte sie den Kopf. Weiß sagte halblaut:
»Die Rechte Liga will ihren Hauptsitz nach Brandenburg verlagern. Sie operieren ganz unauffällig, aus einem kleinen Dorf. Schmitz hat der Partei geholfen und ist ihnen irgendwie in die Quere gekommen.«
»Haben Sie dafür Beweise?«
Er lehnte sich wieder zurück.
»Keine ausreichenden. Aber eines Tages werde ich sie haben.«
»Dann ist die Wahl gelaufen.«
Er sah sie an, sein Gesicht mit den Clownsfalten sah halb verärgert, halb belustigt aus.
»Der Kampf entscheidet sich nicht an dieser einen Wahl.«
Emma schwieg. Weiß nahm wieder sein Smartphone zur Hand.
Er scrollte durch den Blog und sah sich das Impressum an.
»Es könnte sein, dass Rocco Schmitz dahintersteckt. Towntalk ist eine kleine sehr lokale Community. Gegründet in Sachsen, jetzt sitzt die Zentrale in Neubrandenburg.«
»Ist das ein rechtsradikaler Verein?«
»Nicht unbedingt. Der Gründer hat ein abgebrochenes Informatikstudium. Er lebt noch zuhause bei seinen Eltern und hat das Ganze als Spaß für seine Clique gestartet.« Weiß trank das Bier aus. »Wollen Sie auch eins?«
Emma nieste. »Lieber einen Kamillentee.«
Weiß stand auf, trat an die Wendeltreppe und gab die Bestellung nach unten weiter. Emma beobachtete ihn. Er hatte den geschmeidigen Gang eines Mannes, der um seine Wirkung wusste. Es gefiel ihr und stieß sie gleichzeitig ab. Sie merkte, dass auch er sie beobachtete. Dann kam der Wirt und reichte ihm die Getränke hoch. Weiß stellte eine Tasse mit dampfendem Tee vor sie hin.
»Danke.«
Er nickte nur, setzte sich und nahm einen tiefen Zug von seinem Bier. Dann sprach er weiter.
»Die Nazis nutzen solche lokalen Netzwerke gern, um sich zu finden. Manche posen mit Hitlerfahne im Tarnanzug. Oder sie verabreden sich zu Schlägereien und Demos. Sogar Kontaktanzeigen gibt’s da: Treudeutsches Mädel sucht echt deutschen Mann!« Weiß lachte, aber Emma blieb ernst. Sie schloss ihre Finger um die heiße Tasse und sagte:
»Aber wenn der Typ eine deutsche Domain betreibt, dann gilt für sein Unternehmen doch auch das deutsche Recht! Der kann doch da nicht veröffentlichen, was er will! Hetzreden, rassistische Beleidigungen oder,« sie stockte kurz, »einen Aufruf zur Gewalt. Gibt es da keine Gesetze?«
»Doch, sicher gibt es die.« Weiß sah sie an, fast zärtlich. »Morgen früh ruf ich den Betreiber an. Der ist dann verpflichtet, den Eintrag zu sperren. Wenn er keinen Ärger will, dann sperrt er auch gleich das Profil von dem Schreiber.« Er seufzte. »Aber nach kurzer Zeit wird er wieder auftauchen. Neues Profil, gleiche Ansichten. Wie gesagt, diese Typen laufen nie unter ihrem richtigen Namen. Wer wirklich dahintersteckt, ist nur sehr schwer rauszukriegen. Und adelig wird von denen auch keiner.«
Emma hatte gerade einen Schluck von dem Kamillentee trinken wollen, jetzt verbrannte sie sich an dem heißen Getränk.
»Was haben Sie da gerade gesagt?«
»Na, dass wir das Profil gesperrt bekommen, nur …«
»Nein, ich meine hinterher. Irgendwas mit adelig.«
»Ach so.« Weiß stutzte für einen Moment, dann sah er sie nachdenklich an. »Das ist so ein Ausdruck, der unter den Rechten kursiert. Manchmal muss man richtig aufpassen, dass man den Jargon nicht übernimmt.«
»Und was bedeutet das?«
»Adelig?« Emma nickte.
»Nichts Gutes. Die Rechten meinen damit Verrat. Von Adel ist einer, der seine Kameraden
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