Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
sie über sie geredet hatten. Die Ladentür nebenan klingelte, und Khoy erhob sich. »Kundschaft.«
Emma funkelte ihn an, als er an ihr vorbeiging, er tat, als sähe er es nicht. Sie setzte sich zu ihrer Mutter. Helene sah sie ernst an, und Emma stöhnte.
»Jetzt guck nicht so, Mama. Ich kann mich auch mal zurücknehmen. Du hast doch gesagt, ich bin immer so neugierig.«
Helene sah sie erstaunt an. »Aber das war doch kein Vorwurf, Emma!«
»Du warst viel zu nachlässig mit mir. Damals, als das mit«, Emma senkte ihre Stimme, »mit Jenni passierte, da hättest du mich zurückhalten müssen. Vielleicht würde sie dann heute noch …«
»Emma«, Helene legte ihr die Hand auf den Arm, »ist das denn immer noch auf deiner Seele? Du warst nicht schuld! Wie oft muss ich dir das sagen! Du hast getan, was du für richtig hieltest!«
»Manchmal sollte man besser gegen seine Überzeugung handeln. Wenn es gute Gründe dafür gibt, dann …«
»Tut mir leid, Emma, aber das kann ich nicht glauben. Jeder von uns hat eine innere Stimme, die ihm sagt, was richtig und was falsch ist und …«
»Ja, du!« Emma wurde laut, aber sie merkte es nicht. »Du weißt immer, was richtig ist. Du hast es ja auch gewusst, als du Papa aus unserem Leben geschmissen hast!«
Helene zuckte zusammen. »Worüber reden wir jetzt eigentlich?«
»Schneider hat mir erzählt, wie es damals war, Papa wollte kein Kind mehr, und du hast dich einfach durchgesetzt, weil du so genau weißt, was richtig ist und …«
Helenes Gesicht erstarrte. Mit schmalen Lippen sagte sie:
»Schneider war nicht dabei. Im Gegensatz zu dir. Du solltest dich auf dein eigenes Urteil verlassen.«
Ein Mann und eine Frau betraten das Restaurant. Sie stellten sich mit dem Rücken zu den Frauen und studierten das Angebot auf der Tafel hinter der Theke. Emma schluckte und sagte noch immer heftig, aber etwas leiser:
»Ich war siebzehn, und du hast es nicht für nötig gefunden, mich um meine Meinung zu fragen. Du hast mir einfach meinen Vater genommen.«
Helene wurde rot. Sie schlug mit der Faust auf den Tisch und sagte laut: »Verdammt, ich hab dir Ida geschenkt!«
Das Paar an der Theke drehte sich um und flüsterte miteinander. Khoys Mutter kam aus der Küche gehastet, Ida im Schlepptau. Emma wurde der Hals eng. Sie nahm einen Schluck Wasser und sah ihrer kleinen Schwester mit einem schiefen Lächeln entgegen. Ida rannte zu Helene und fragte:
»Was ist denn Mama? Was ist mit mir?«
Helene strich ihr über den Kopf und sagte: »Ich wollte Emma nur erzählen, wie toll du dich mit August verstanden hast.«
Ida kicherte. »Er war so dumm, Emma. Das glaubst du nicht. Er hat keines meiner Bilder erraten, und kochen konnte er auch nicht. Ich hab gesagt, er muss noch lange auf die Schule gehen, aber das wollte er auch nicht. Sein Bruder war auf einer ganz tollen Schule, aber er … oh, wusstest du Emma, dass sein Bruder gestorben ist?« Idas Gesicht verzog sich, als wollte sie anfangen zu weinen. »Du darfst nicht sterben, Emma, ja, du bist jetzt so weit weg, und ich weiß gar nicht, ob du noch lebst oder ob du schon tot bist.«
Emma legte ihren Arm um die kleine Schwester. Ein Gedanke in ihr fing sich ganz langsam an zu formen, noch war er verschwommen, aber sie wusste, dass sie etwas Wichtiges übersehen hatte, sie wusste es, seit sie die Rektorin auf der Beerdigung gehört hatte. »Nein, Ida, ich bleibe ganz lebendig, und du kannst mich immer hier besuchen, okay? Aber jetzt sag mal, was hat August über seinen Bruder erzählt?«
Ida schien für den Moment getröstet, sie lächelte wieder und lehnte sich eng an ihre große Schwester. »Er sagte, er wäre zu dumm für diese feine Schule, und sein Bruder wäre es eigentlich auch gewesen. Und er hätte es nur geschafft, weil seine Lehrerin so viel mit ihm gelernt hat, aber das wäre ihm ja zu anstrengend, jeden Abend, und manchmal ist er die ganze Nacht da geblieben.«
Emma starrte Ida an. Kein Klassenlehrer, hatte die Rektorin gesagt. Die Schüler mochten ihn, sie wollten zur Beerdigung, aber er war kein Klassenlehrer gewesen.
»Emma, was ist denn?« Ida sah sie fragend an.
Emma fasste über den Tisch nach Helenes Hand. »Mama, hast du die Handynummer von Heike?« Helene nickte. Sie sah immer noch wütend aus, aber als sie Emma jetzt ansah, zog sie rasch ihr Handy aus der Tasche und reichte es ihr wortlos. Emma tippte auf das kleine Symbol für die Kontaktdaten und drückte Heikes Nummer. Während sie das Telefon an ihr Ohr
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