Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
Polizisten, Blume. Er neigte den Kopf und sprach leise in den Kragen seiner Jacke. Funk, vermutlich. Er hob den Kopf, und sie drehte sich rasch wieder um. Ihr Nachbar sah sie neugierig an. Sie senkte den Kopf und legte beide Arme auf die Tasche.
Der Geistliche betrat vom Seiteneingang den Raum. Ein Messdiener hielt eine astdicke Kerze, ein anderer trug das Gebetbuch. Die drei blieben vor dem Sarg stehen und verharrten eine Sekunde, dann drehten sie sich um. Die Trauergäste standen auf und stimmten ein Lied an. Die Lehrerin nahm ihre Tasche und streifte beim Aufstehen den Tragegurt vorsichtig über die Schulter. In der Bank vor ihr rückten zwei Menschen vom Gang in die Reihe. Gesine Lorenz spürte, dass jemand sie ansah. Sie hob den Blick und sah August. Die gleichen Augen wie Marlon, dachte sie und lächelte. Der Junge sah sie ernst an, dann erhielt er einen Stoß von seiner Schwester und drehte sich nach vorn zum Geistlichen.
Berlin, Mitte. Imbiss Sampeah
D ie Kapelle ist mittlerweile überfüllt, und noch immer strömen Trauergäste auf den Friedhof. Schulklassen sind gruppenweise hier angekommen, sie stehen bedrückt zusammen und werden von ihren Lehrern betreut. Eine große Anzahl von«, Bentes Stimme zögerte, »von jungen Männern mit sehr kurzen Haaren steht vor der Kapelle, in der Hand halten einige von ihnen schwarz-rot-weiße Fahnen. Es sind offensichtlich Anhänger der Rechten Liga, zu denen auch der Verstorbene zählte.« Bente machte eine kurze Pause, leise hörte man im Hintergrund den Gesang eines Chorals.
»Zu Beginn der Trauerfeier kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern und weiteren Trauergästen. Vor dem Tor zum Friedhof sammelten sich die Einsatzwagen der Polizei. Der Pfarrer unterbrach seine Ansprache. Er ging zu den Streitenden nach draußen und ermahnte sie, sich dem Anlass gemäß respektvoll zu verhalten. Bisher lief die Trauerfeier ohne weitere Zwischenfälle ab.«
Khoy kam in den Gästeraum und brachte frischen Kaffee. »Das ist Emmas Geschichte«, rief er fröhlich von der Theke, »sie hat den Mörder geschnappt!« Emma sprang auf und drehte das Radio leiser. Helene sah sie nachdenklich an, sagte aber nichts. Ida war längst mit Khoys Vater in der Küche verschwunden, sie hörten ihr lautes Lachen und das amüsierte Brummen des Mannes. Von Zeit zu Zeit kam sie mit einer neuen Entdeckung angerannt und ließ Emma und Helene einen Löffel Krebspaste oder kambodschanische Mango probieren. Helene stützte ihre Unterarme auf den Tisch und sah zu Emma. »Warum bist du denn nicht dort und berichtest?«
Emma legte die Frühstücksteller zusammen. »Und wer sollte euch abholen?« Helene ging nicht darauf ein, sondern sah sie nur weiter an, deshalb zuckte Emma die Achseln. »Bente macht das sehr gut.«
»Das ist nicht die Frage.«
Emma stellte die Reste ihres Frühstücks auf ein Tablett und trug es zur Durchreiche. Mit dem Rücken zu ihrer Mutter meinte sie: »Du sagst doch immer zu mir, dass ich zu viel arbeite. Mach ich eben jetzt mal ein bisschen weniger.«
Khoy kam herein und drehte das Radio wieder lauter.
Jetzt hörten sie die Stimme der Rektorin, Sabine Ansbach. Bente hatte sie vermutlich vor der Übertragung interviewt.
»Wir haben die Kinder entscheiden lassen, einige Klassen wollten hierher.« Die Rektorin räusperte sich. Emma sah sie vor sich, die schmale ältere Frau mit dem Dutt, sicher im dunklen Mantel. »Er war ja kein Klassenlehrer, aber doch sehr beliebt bei den Schülern. Wir fanden – nun, ein Gebet ist wohl in jedem Fall eine richtige Entscheidung.«
Jetzt sprach wieder Bente, sie beschrieb den Trauerzug und erzählte dazwischen immer wieder mit wenigen Sätzen, was in den letzten Tagen geschehen war. Emma versuchte zuzuhören, aber Ida stand vor ihr und redete auf sie ein. Sie hielt etwas hoch, das nach einem gegrillten Froschbein aussah, eine kambodschanische Spezialität, mit der Khoys Vater gerne neue Gäste schockierte. Emma lächelte, aber in Gedanken war sie bei dem Radiobeitrag. Irgendetwas irritierte sie. Was hatte die Rektorin gerade gesagt?
Khoys Mutter rief nach Ida, und das Mädchen rannte mit rotglühenden Wangen wieder in die Küche. Die Übertragung machte eine Pause, Werbung schallte ihnen jetzt entgegen, fünf Minuten vor dem Nachrichtenblock. Emma ging auf die Toilette. Als sie wiederkam, saß Helene über den Tisch gebeugt und unterhielt sich leise mit Khoy. Helene sah ihr verlegen lächelnd entgegen. Emma war sich sicher, dass
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