Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
Neonazi – finden Sie die tatsächlich so harmlos?«
Eichwald schüttelte unwillig den Kopf.
»Das macht der doch nur, um Sie zu ärgern. Sein Verein, Lokomotive Leizig, hat heute verloren. Da sind die Jungs immer ein bisschen auf Krawall gebürstet. Wenn Sie sich darüber aufregen, tun Sie ihm nur einen Gefallen.«
Emma runzelte die Stirn, dann beschloss sie, das Thema für den Moment fallen zu lassen.
»Herr Eichwald, könnte ich Sie kurz zu dem Verstorbenen interviewen?
Der Bürgermeister verschränkte die Arme und sah sie lächelnd an.
»Meinetwegen. Damit Sie nicht denken, hier sind alle unfreundlich.«
Emma holte das Mikro heraus und hielt es dem Mann vor den Mund.
»Kommen Sie hier aus dem Ort?«
»Hier, da die Straße runter, gleich links, das Haus habe ich gekauft. Zu einem ordentlichen Preis. Ich bin kein Wendegewinner, das müssen Sie wissen. Ich komme aus der Gegend. Aber Lukas Brinkmann bin ich nur selten begegnet.«
Emma kontrollierte den Pegel und drehte die Lautstärke etwas nach oben. Eichwald sprach leise, aber angenehm. Sie hob den Arm mit dem Mikrofon noch etwas dichter an seinen Mund und sagte:
»Sein Tod hat eine große Anteilnahme in rechtsradikalen Foren im Internet ausgelöst.«
»Ist das so? Darüber weiß ich nichts. Ich verkehre nicht in solchen Foren.«
»Was können Sie mir über Lukas Brinkmann sagen?«
»Nun, er war ein Bürger, der es zu etwas gebracht hatte und den ehrenvollen Beruf des Lehrers ausübte. Er interessierte sich für das kulturelle Erbe dieses Landstriches. In den 90ern versuchte er, einen Heimatverein aufzuziehen, aber es stieß leider auf wenig Interesse. Die Brandenburger sind manchmal schwer zu bewegen.«
Interessiert beobachtete Emma den Mann beim Sprechen. Er hatte die Hände wie zum Gebet gefaltet und lächelte die ganze Zeit. Er wählte die Worte mit Bedacht. Emma fiel auf, dass er Arbeiterhände besaß – groß und rot.
»Hatte er Kontakt zu den Leuten hier?«
»Das weiß ich nicht. Wie gesagt – ich kannte ihn kaum.«
»Was ist mit seiner Mutter?«
»Soviel ich weiß, ist sie an Krebs gestorben, als Lukas noch zur Schule ging. Wissen Sie, im Dorf reden sie viel. Man darf darauf nichts geben.«
»Was wird denn geredet?«
Der Mann zögerte. Dann blieb er stehen und hielt seine Hand über ihr Mikrofon.
»Dass der ewige Streit zwischen dem Alten und ihrem Sohn sie ins Grab gebracht hat. Der Pastor kann recht bärbeißig sein, wie Sie ja vielleicht schon mitbekommen haben.«
Emma nickte, murmelte einen Dank und zog die Hand mit dem Mikrofon weg. Sie speicherte die Aufnahme und steckte das Gerät zurück in die Tasche. Dann gingen die beiden schweigend weiter. Am Anger angekommen, entriegelte Emma den Wagen. Da fiel ihr Blick auf den Plakatwald der rechten Partei vor dem Pfarrhaus. Die kleine Hecke am Dorfanger war gepflastert mit dem Logo der Rechten Liga, den beiden Buchstaben R und L in schwarzer Farbe auf weißem Grund, rot umrandet. An jedem Baum hingen die RL-Plakate mehrfach übereinander, der Weg vom Pfarrhaus zum Parkplatz glich einem Spalier. Sie zeigte mit dem Finger darauf und fragte den Mann an ihrer Seite:
»Hier sehe ich allerdings ein starkes Engagement. Glauben Sie, es ist die richtige politische Taktik, das Problem des Rechtsradikalismus kleinzureden?«
Eichwald meinte ungehalten:
»Erstens tut das hier niemand, und zweitens wird da auch übertrieben. Ich sage immer, gebt uns hier Arbeitsplätze, dann hat sich das mit den rechten Parolen ganz schnell erledigt.«
»Steht Ihre Position eigentlich auch in zwei Wochen zur Wahl?«
Er lächelte jetzt wieder.
»Nein. Die Wahl der Bürgermeister verläuft unabhängig von den Landtagswahlen. Ich muss hier also keinem nach dem Mund reden.«
Emma sah nachdenklich zu ihm hoch. Er bemerkte es und lächelte noch breiter.
»Kommen Sie doch morgen zu unserem Gemeindefest. Ein paar Frauen aus der Gemeinde backen ausgezeichnete Kuchen. Sie werden sehen: Wir sind auch nur Menschen. Ihren Mörder müssen Sie wohl in Berlin suchen.«
»Ich werd’s mir überlegen.«
Eichwald öffnete für sie die Autotür.
»Die Menschen hier fühlen sich als Verlierer der Wende. Es nützt nichts, sie zu verurteilen. Man muss ihre Probleme sehen und lösen, nur so kann man den Rechten entgegentreten.«
Emma warf ihre Tasche auf den Beifahrersitz und sagte:
»Die Politik wird nie alle Probleme der Menschen lösen können. Wer darauf wartet, bevor er gegen Extremisten vorgeht, der wartet zu lange.
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