Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
gut.«
»Aha.«
»Mann, so einen Lehrer wollte ich auch mal haben. Wir haben ja nur die Doofis.«
»War Lukas denn mit Rocco befreundet?«
Der Junge schniefte. Er zog mit seinem Handschuh über die Nase und hinterließ an der Wange einen braunen Dreckstreifen, vermischt mit Rotz.
»Weiß nicht. Glaub schon.«
Emma seufzte. Sie hockte sich vor den Jungen hin.
»Der Pastor hat gesagt, dein Bruder ist gestorben.«
Der Blick des Jungen wurde wachsam. Er sagte nichts. Emma fragte zögernd.
»Er hieß Marlon, nicht wahr? Was ist denn mit ihm passiert?«
August trat einen Schritt zurück. Er nahm den Griff des Handkarrens wieder hoch und zerrte den kleinen Wagen weiter. Der Karren ruckelte über einen Stein, und das Ka ninchen rappelte in der Kiste. August sah sich nicht mehr um und verschwand hinter einer Reihe parkender Autos. Emma seufzte und ging langsam wieder in die Höhe. Na toll, Emma, dachte sie, sehr sensibel vorgegangen. Sie stieg ins Auto und fuhr rasch davon.
Berlin, Charlottenburg,
Redaktionsräume von RadioDirekt
Z urück in Berlin hatte sie kurz im Sender Halt gemacht und die Töne auf ihr persönliches Laufwerk gespielt. Die Ausbeute an verwendbaren Tönen war gering. Vom Gespräch mit dem Vater war im Grunde nur der Teil über das Klavierspiel von Lukas Brinkmann sendbar. Der Hooligan Schmitz ging gar nicht, und die Aussage vom Bürgermeister war langweilig. Trotzdem stellte Emma das Verwertbare in den Nachrichtenspeicher und schrieb einen kurzen Text für die Anmoderation dazu. Dann öffnete sie eine Word-Datei und notierte ihre Eindrücke. Hans Brinkmann, Vater, Pfarrer. Ein Einzelgänger im Dorf. Rocco Schmitz, Rechtsradikaler, Fußball-Hooligan aus dem Umfeld der Lokomotive Leipzig, Freund von Lukas. Schien aber nicht über den Tod zu trauern. Der Bürgermeister Christian Eichwald. Ein Verbündeter?
Emma speicherte ab und öffnete ihr E-Mail-Programm. Dort lag ein neuer Brief von Ida. Emma beugte sich vor und studierte das Bild, das ihre kleine Schwester im Anhang mitgeschickt hatte.
Seit Helene ihr beigebracht hatte, den Computer zu bedienen, war es aus mit den Paketen voll Fischgräten und Bonbonpapier. Ida mailte jetzt. Schon immer war sie eine leidenschaftliche Fotografin gewesen, jetzt lud sie ihre Bilder hoch und ließ Emma raten, was darauf zu sehen war. Die große Schwester war im Gegenzug für akustische Signale verantwortlich.
Emma kniff die Augen zusammen. Zu sehen war ein Gemisch aus grauen und weißen Tönen in einer rauen Oberflächenstruktur. Sie mailte zurück, es handele sich vermutlich, nein, ganz sicher, um einen Pflasterstein. Dann lud sie den Ton vom Zeltaufbau hoch und schickte ihn mit.
Berlin, Pankow
D er alte Peugeot hatte kein Navigationsgerät. Emma brauchte eine halbe Stunde, bis sie die Straße gefunden hatte, in der Bente mit ihrer Familie lebte. Sie war immer noch durchgefroren, die kurze Zeit im Sender hatte daran wenig geändert. Sie parkte am Straßenrand hinter dem Fir menwagen mit dem Senderlogo, stieg aus und sah sich um.
Das Haus lag an einer der alten Berliner Wohnstraßen, die so breit waren, dass sich Autos gefahrlos begegnen konnten, obwohl an beiden Seiten Wagen parkten. Mächtige Eichen säumten die Straße, die mit ihren jahrhundertealten Wurzeln das Kopfsteinpflaster sprengten.
Bente wohnte in einem dunkelroten, von Efeu umrankten Backsteinbau. Die Vordertür und die kleinen Fenster waren mit massivem Eichenholz gerahmt. Emma drückte auf die Klingel am schmiedeeisernen Zaun. Niemand reagierte. Sie öffnete die Tür und ging die drei Schritte hoch zum Eingang. Aus dem Innern meinte sie, entfernt Popmusik zu hören, aber niemand reagierte auf ihr Klopfen. Sie ging um das Haus herum. Ein fußballfeldgroßer Garten schloss sich an, hinten begrenzt durch eine mächtige Thujenhecke. Hohe Fichten und eine kahle Linde steckten einen Teil des Gartens ab. Die Beete waren braun, die Rosenstöcke mit Kartoffelsäcken vor dem Frost geschützt. Emma rief noch mal. Martin, Bentes Mann, streckte den Kopf aus der Garage.
»Emma, hi, wie geht’s?«
»Ganz gut. Ist Bente da?«
»Ja klar. Warte.«
Er ging die wenigen Meter bis zur Hintertür, öffnete sie und rief nach seiner Frau. Emma hörte die Popmusik jetzt lauter. Martin war fast 1 Meter 90. Sein blondes Haar schien jeder Pflege zu trotzen und stand immer kreuz und quer vom Kopf ab. Jetzt versuchte er wieder, es mit seinen großen Händen zu glätten.
»Die Klingel ist kaputt. Sie hat dich
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