Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
an. Sie war sehr schlank und unterstrich das mit engen Jeans und einer weitmaschigen Strickjacke, unter der ein Top hervorschaute, das ihren Busen betonte. Der Junge nutzte seine Chance, schlüpfte unter dem Arm der Frau hindurch zurück ins Zelt und stellte sich zu den Männern an die Theke. Schmitz ging mit der Frau an Emma vorbei zurück zur Musikanlage. Den Arm immer noch fest um sie gelegt winkte er dem Mann hinter dem Tresen. Der brachte zwei Plastikbecher mit Bier und stellte sie vor sie hin. Schmitz hob den Becher, drehte sich um und prostete Emma zu.
»Wer deutsch denkt, der lebt gefährlich in diesem Land!«
Emma beendete die Aufnahme und verstaute betont langsam ihr Gerät in der Tasche. Sie versuchte Zeit zu gewinnen, um sich eine Antwort zu überlegen. Dann sah sie hoch in die Runde und stellte sich zu dem rotgesichtigen Mann. Sie zwang sich zu einem Lächeln und sagte halblaut:
»Ich wusste gar nicht, dass Sie sich hier so um Ihr Leben fürchten!«
Der Mann lächelte unbehaglich und warf einen Blick zu Schmitz. Der starrte wütend zu ihr rüber und wischte sich den Bierschaum vom Mund. Plötzlich fing er mit seiner hohen Fistelstimme an zu singen.
»Ich glaube an das Reich und an den deutschen Sieg.
Ich glaube an mein Volk und an den weißen Rassenkrieg.«
Emma stellten sich die Härchen an den Armen auf. Die Männer und Frauen im Zelt wirkten peinlich berührt. August starrte neugierig zu ihr rüber, offensichtlich gespannt, wie sie reagierte.
»Was ist denn los, kommt schon, alle mitsingen!«
Schmitz nahm noch einen Schluck vom Bier und grölte weiter.
»Ich glaube an den Führer, er war Deutschlands größter Sohn.
Ich glaube an die Wiedergeburt der weißen Nation.«
Im Zelt war es still. Rocco Schmitz legte wieder den Arm um die Frau neben sich und lachte laut. Ein älterer Mann mit glasigem Blick rief zu Emma rüber:
»Na, wie gefällt Ihnen das? Sowas sollten Sie mal bringen in Ihrem Radio!«
Emma drehte sich zu dem Mann, der gleich hinter ein paar Kumpanen an der Theke in Deckung ging. Das Lächeln war ihr vergangen. Sie hoffte, dass ihre Stimme nicht zitterte, als sie sagte:
»Rassistische Lieder sind zum Glück verboten.«
Sie zog die Jacke enger um sich und ging auf den Ausgang zu. Über die Schulter sagte sie laut:
»Rassisten sind Verlierer, die anderen die Schuld an ihrem eigenen Versagen zuschieben. Aber singen Sie ruhig. Singen soll ja helfen, die Angst zu vertreiben.«
Sie war noch nicht beim Zeltausgang angelangt, da stellte sich Rocco Schmitz in ihren Weg. Seine Augen hatte er zu Schlitzen verengt. Gerade wollte er etwas sagen, als jemand von draußen eine Hand auf seine Schulter legte. Schmitz fuhr herum.
Am Eingang stand ein Mann um die vierzig mit sorgfältig gekämmten Haaren und braunen Augen. Er trug einen schlichten, aber teuer aussehenden Wollmantel über seinen Anzughosen. Der Fußballfan Schmitz und er sahen sich einen Moment lang zwingend in die Augen. Dann knickte Schmitz ein und verzog sich wieder an die Theke. Der Mann lächelte Emma entgegen.
»Darf ich Sie zu Ihrem Auto bringen?«
Emma nickte, obwohl ihr die Situation missfiel. Sie ließ sich nicht gerne retten und fürchtete, in den Augen der Dorfbewohner als schwache Frau abgestempelt zu werden. Trotzdem war sie erleichtert. Schmitz war schwer einzuschätzen.
Draußen war es mittlerweile ganz dunkel geworden. August war verschwunden. Andere Kinder flitzten mit Taschenlampen zwischen den Autos herum, und in den Häusern links und rechts der Hauptstraße waren manche Fenster hinter den Gardinen erleuchtet.
Sie gingen langsam auf den Dorfanger zu. Emma warf einen Blick zu ihrem Begleiter.
»Danke.«
Der Mann lachte. Er sah gut aus, auch wenn das Gesicht etwas aufgeschwemmt wirkte und das Haar am Hinterkopf langsam dünn wurde.
»Hunde, die bellen, wissen Sie. Große Klappe, nichts dahinter. Rocco Schmitz hätte Ihnen schon nichts getan.«
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
Der Mann blieb stehen und streckte ihr seine Hand entgegen.
»Ich bin der Bürgermeister hier. Christian Eichwald.«
Emma griff nach der Hand und schüttelte sie kräftig. Eine etwas altmodische Geste, die sie meistens verlegen machte. In Bremen hatte sich niemand die Hand gegeben. Aber in ihrem Jahr in Berlin hatte sie schon festgestellt, dass das im Osten sogar unter jungen Leuten üblich war. Die Hand des Bürgermeisters fühlte sich rau an.
»Ihr harmloser Freund hat gerade ein rassistisches Lied gesungen. Ein
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