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Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)

Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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der gleichen Seite?«
    »Welche Seite sollte das wohl sein, Frau Vonderwehr?«
    »Die richtige. Die demokratische, wenn Sie so wollen. Gegen den braunen Sumpf.«
    Sie fand, dass sie hochtrabend und unecht klang und warf schnell einen Blick in die Runde. Sebastian tippte mit gebeugtem Rücken etwas in seinen Computer, Andreas ging aus der Tür in Richtung Sendestudio. Es war eine Minute vor sechs. Sie senkte ihre Stimme.
    »Ich würde gerne mit Ihnen über Lukas Brinkmann reden. Sie kannten ihn vermutlich, oder?«
    »Sagen wir mal, ich kannte ihn als einen Gegner, den ich ernst genommen habe.«
    »Und Rocco Schmitz?«
    »Interessiert der Sie jetzt, weil er Ihr Gerät kaputt ge macht hat?«
    »Das haben Sie mitbekommen?«
    »Ja. Ich hatte Sie im Blick, Frau Emma Vonderwehr.«
    Er lachte wieder leise, und Emma spürte, dass sie rot anlief. Sie war froh, dass er sie jetzt nicht sehen konnte.
    Weiß sagte:
    »Rocco Schmitz ist schon länger ein ganz spezieller Freund von mir. Bei solchen Zusammentreffen ist es immer gut zu wissen, wo er gerade steht.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wie ich es sage. Ich bin immer auf einen Angriff vorbereitet.«
    Bente kam rein. Sie schmiss ihre Unterlagen auf den Schreibtisch und fing an, ihre Sachen zusammenzupacken. Emma sagte schnell:
    »Darüber möchte ich gerne mehr wissen. Einen schnellen Kaffee? Sagen Sie mir, wo ich hinkommen soll.«
    Bente warf ihr einen fragenden Blick zu. Emma angelte nach einem Kuli und schrieb sich die Adresse auf, die Konrad Weiß nannte, verabschiedete sich und legte auf.
    Bente kam an ihren Schreibtisch, die Autoschlüssel klapperten in ihrer Hand. Sie fragte, mit dem Blick aufs Telefon:
    »Noch was Wichtiges?«
    Emma riss den Zettel vom Block ab und stopfte ihn sich in die Tasche.
    »Nee. Ich fahr auch gleich.«
    »Na dann. Bis morgen.«
    Als Emma zehn Minuten später unten auf der Straße die Rechnung an Schmitz einwarf, fragte sie sich, warum sie Bente nichts von dem Treffen erzählt hatte. Schließlich war Konrad Weiß ein wichtiger Informant. Es konnte nicht schaden, sich mit ihm zu unterhalten. Bente hatte sicher schon viele Interviews mit ihm geführt. Sie stieg auf ihr Fahrrad und fuhr in Richtung Kreuzberg. Der Wind wehte ihr kalt entgegen, und Emma zog ihre Mütze über die Ohren. Ich habe Sie im Blick gehabt, hatte er gesagt. Deshalb hatte sie der Kollegin nichts erzählt. Bente durchschaute sie. Es ging ihr nicht nur um die Recherche. Sie wollte den Mann wiedersehen. Und das wollte sie weder ihrer Kollegin noch sich selbst eingestehen.

Brandenburg, Hofsmünde
    D ie Orgel klang schleppend, als wäre sie beleidigt, so lange vernachlässigt worden zu sein, und müsste sich nun bei jeder Taste, die angeschlagen wurde, überlegen, ob sie den Laut folgen lassen wollte. Pastor Brinkmann saß unten auf einem Stuhl aus der Sakristei, den Rücken an den Altar gelehnt. Die Tränen liefen ihm über die Wangen, ohne dass er es merkte. Sie hatten ihm die Orgel gelassen, noch, er hatte gesagt, das sei doch ein Angebot für die Jugend! Aus Wut darüber, dass er ihnen nicht vollständig das Feld überließ, hatten sie auf dem Orgelboden alles gestapelt, was noch herumlag. Aktenordner und Liederbücher aus der Sakristei, Heiligenstatuen und die alten Holzbilder vom Kreuzzug. Jeden Tag hatte er umgeräumt, damit wenigstens ein schmaler Gang zur Orgel offen blieb. Aber sein letzter und einziger Schüler, August, war seit Marlons Tod kaum mehr zur Musikstunde gekommen. Und jetzt saß dort oben ein früherer Schüler, einer, den er auch längst verloren hatte, und spielte Bachs Präludium h-Moll.
    Gestern Abend hatten sie sich auf dem Platz vor seinem Haus versammelt. Im Radio hatte er von dem Tumult gehört, den sie in Berlin vor Lukas’ Tür veranstaltet hatten. Danach waren sie hierhergekommen, hatten ein Feuer auf dem Kirchplatz angezündet und auf ihren Erfolg angestoßen. Zeitungen und das Fernsehen berichteten, sie waren präsent – nichts anderes zählte. Als er die Vorhänge zuzog, hatte er August gesehen. Er stand nah am Feuer, als ob er frieren würde. Seine kahle Kopfhaut schimmerte im Flammenschein, er sah aus wie ein böser Zwerg.
    Der Spieler auf dem Orgelboden war fast am Ende des Stücks angekommen. Die reinen Töne schmerzten in den Ohren des Pastors wie Nadelstiche im Trommelfell. Als Glaubensersatz hatte die Musik versagt, das wusste er jetzt. Lukas und Thomas, die Jungen, die er mit der Musik heilen wollte, waren in die rechte Szene

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