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Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)

Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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blinkten die Lichter am Stand von Curry 36, einer Imbissbude, an der sich jetzt am Abend die Schlange bis zum angrenzenden Finanzamt reihte. Daneben hatte ein Türke einen vegetarischen Kebab- Laden aufgemacht. Ein paar Jugendliche schubsten sich auf dem Gehweg, ein alter Mann zog seinen Einkaufswagen, eine Frau im Kopftuch telefonierte, während ihr Baby im Kinderwagen schlief. Kreuzberger Alltag. Emma meinte leise:
    »Wissen Sie, was ich nicht verstehe? Es gibt doch kaum Ausländer in Brandenburg. Was soll die ganze Aufregung?«
    Weiß sah sie an.
    »Soll ich Ihnen jetzt ein Psychogramm dieser Leute liefern? Das kennen Sie doch alles. Hartz IV, Zukunftsangst, die Suche nach dem Sündenbock. Alles stimmt, und nichts erklärt es wirklich.«
    Emma erwiderte seinen Blick. Sie fühlte, wie nah er ihr war. Er roch nach Rauch, nach Holz und Gras. Seine Augen schienen sich immer tiefer zu verschatten. Sie murmelte:
    »Sind Sie es nicht manchmal leid, diesen Kampf?« Weiß zuckte mit den Schultern.
    »Es ist ein bisschen wie Sisyphos. Mal Camus gelesen?«
    »Klar. Mit 15 hinter mich gebracht.«
    »Erinnern Sie sich an den letzten Satz, Frau Emma?«
    »Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.«
    Er lächelte. Wie anders er jetzt aussah. Die Clownsfalten um seinen Mund gruben sich tiefer ein, und seine Augen leuchteten. Emmas Herz klopfte spürbar. Wie kindisch, dachte sie, während sie laut fragte:
    »Sind Sie glücklich, Herr Weiß?«
    Er lächelte immer noch und sah wieder aus dem Fenster. Eine kleine Narbe verlief über seiner rechten Augenbraue. Er sagte:
    »Ich glaube zumindest, etwas Sinnvolles zu tun.«
    Er drehte sich zu ihr um.
    »Und Sie, Frau Emma? Wie steht’s um Ihr Glücklichsein?«
    Emma sah ihn an. Eine Weile sagte niemand ein Wort. Weiß beugte sich vor. Ihre Gesichter waren dicht voreinander. Sie sagte leise:
    »Wenn ich arbeite, habe ich ein klares Ziel. Es ist wie ein Rausch.«
    Er wartete ab. Jetzt sah sie aus dem Fenster.
    »Es macht mich süchtig. Weiter, immer weiter. Glücklich? Ich weiß nicht. Was passiert, wenn ich gestoppt werde, warum bin ich so …« Der Wirt hustete. Emma schreckte auf. Was erzähle ich denn da, dachte sie. Ich kenne den Mann doch kaum. Weiß sah sie noch einen Moment an, dann stand er auf.
    »Kommen Sie, wir gehen ein bisschen spazieren, ja?«
    Emma nickte. Sie zog ihr Portemonnaie aus der Jacke, aber Weiß winkte nur ab und sagte dem Wirt, er solle es anschreiben. Der nickte und blätterte weiter in seiner Zeitung.
    Draußen stauten sich die Autos auf dem Mehringdamm Richtung Stadtautobahn. Emma löste das Schloss an ihrem Fahrrad und schob es auf den Bürgersteig. Es war kalt. In Bremen blühten um diese Jahreszeit schon die Magnolien. Den Winter musst du überstehen, hatte Blume gesagt, den Berliner Winter und einmal Silvester in Kreuzberg. Ist wie Bürgerkrieg, Emma, und nächstes Jahr fahren wir dann nach Rügen. Emma ging rasch ein paar Schritte. Konrad Weiß stapfte schweigend mit weit ausholenden Schritten voraus. Sie fragte laut gegen den Verkehrslärm:
    »Was war das für ein Mensch, dieser Brinkmann?«
    Er zögerte, ging etwas langsamer, bis sie an seiner Seite war. »Ich glaube, viele Leute fanden ihn sehr charmant.«
    Emma wich einem Hundehaufen aus.
    »Sein Vater meinte, er habe alle manipuliert. Es klang nicht sehr charmant.«
    Sie hielten an der Blücherstraße. Weiß sah nach rechts und links und winkte ihr dann, die Straße zu überqueren. Emma grinste und ärgerte sich gleichzeitig über seine Umsicht. Wie ein Vater, dachte sie. Weiß schien über ihre Worte nachzudenken. Dann nickte er.
    »Ich hab mich mal mit einem Typen von denen länger unterhalten. Der ist über EXIT aus der Szene ausgestiegen. Er meinte, Brinkmann hätte so viele Anhänger, weil er jedem das Gefühl gab, er brauche genau ihn. Wenn er einen mochte, dann setzte er sich sehr für ihn ein. Sie können sich wahrscheinlich nicht vorstellen, was das bewirkt hat bei diesen Jungen. Die meisten hat noch nie jemand wirklich gewollt. Sie taten alles für ihn. Er erwartete dann aber auch totalen Einsatz.«
    »Kann ich den mal treffen?«
    »Wen, den Aussteiger?« Weiß sah sie erstaunt an, dann schüttelte er den Kopf. »Zeugenschutzprogramm.«
    Emma bemerkte zu spät, dass sie ihr Rad mitten durch einen Scherbenhaufen schob. Sie hoffte, dass die Reifen halten würden. Sie sagte:
    »Blattner hat gemeint, Brinkmann sollte ein Mandat kriegen. Wenn sie genug Stimmen in

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