Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden
mit der Domestizierung verfestigte und die Frauen immer mehr ans Haus band. Um hohe Sterblichkeit und hohe Fruchtbarkeit auszubalancieren, mussten Frauen die meiste Zeit ihres Lebens schwanger sein und/oder sich um die Aufzucht kleiner Kinder kümmern. Und die Veränderungen im Ackerbau – wahrscheinlich von den Frauen selbst angeregt – werden dies noch verstärkt haben. Die Verarbeitung von domestiziertem Getreide ist aufwändiger als die der meisten Wildgemüse, und weil das Dreschen, Mahlen und Backen im Haus geschehen können, gleichzeitig mit dem Kinderhüten, wurden sie zu Aufgaben der Frauen.
Wenn es Land im Überfluss gibt, Arbeitskräfte jedoch knapp sind (wie in den ersten Zeiten des Ackerbaus), bearbeiten die Menschen in der Regel eher große Gebiete und diese nicht sehr gründlich, wobei Männer und Frauen das Hacken und Ausreißen des Unkrauts gemeinsam erledigen. Wenn die Populationen wachsen, aber kein zusätzliches Land kultiviert werden kann, so wie im Fruchtbaren Halbmond nach 8000 v. u. Z., wird es ratsam, das Land intensiver zu bearbeiten und durch Düngen, Pflügen und manchmal auch Bewässern größere Erträge aus jeder Fläche zu holen. Alle diese Aufgaben erfordern Kraft und starke |111| Armmuskeln. Zwar sind viele Frauen genauso stark wie Männer, dennoch dominieren mit Intensivierung des Ackerbaus die Männer in der Arbeit unter freiem Himmel, die Frauen übernehmen die Hausarbeit. Erwachsene Männer arbeiten auf den Feldern, Jungen hüten die Herden, Frauen und Mädchen kümmern sich um den immer genauer definierten häuslichen Bereich. Eine Studie an 162 Skeletten aus Abu Hureyra, die aus der Zeit um 7000 v. u. Z. stammen, ergab auffällige Differenzen zwischen den Geschlechtern. Männer wie Frauen hatten im oberen Bereich verstärkte Wirbelsäulen, vermutlich vom Tragen schwerer Lasten auf dem Kopf, doch nur Frauenskelette wiesen jene arthritischen Verformungen der Zehen auf, die von längerem Arbeiten in kniender Haltung herrühren, wobei sie die Zehen wohl gerade beim Mahlen des Korns in den Boden stemmten, um Halt und Kraft zu gewinnen.
Unkraut hacken, Steine vom Feld auflesen, düngen, bewässern und pflügen – alles Tätigkeiten, die den Ertrag steigern. Und es machte einen gewaltigen Unterschied, ob ein Haushalt ein wohlbestelltes Feld erbte oder einfach ein Stück Land. Die Art, in der sich die Religion nach 9600 v. u. Z. entwickelte, lässt erkennen, dass sich die Menschen Gedanken machten um die Ahnen und das Erbe, und wir können als gesichert annehmen, dass sie die Rituale in dieser Situation durch weitere Institutionen untermauert haben. Wenn so viel auf dem Spiel stand, wollten Männer in modernen Bauernkulturen sicher sein, dass sie wirklich Väter der Kinder waren, die ihren Besitz einmal erben würden. Die eher lockere Haltung der Sammler zum Sex wandelte sich zur zwanghaften Sorge um die voreheliche Jungfräulichkeit ihrer Töchter und zur Angst vor außerehelichen Aktivitäten ihrer Frauen. In traditionellen Bauerngesellschaften heirateten Männer, wenn sie etwa 30 Jahre alt waren und damit die Verfügung über ihr Erbe erlangt hatten, Frauen dagegen mit 15, damit ihnen nicht viel Zeit zum Herumstreunen blieb. Wir können nicht sicher sein, ob solche Muster tatsächlich mit Beginn des Ackerbaus entstanden sind, es ist jedoch wahrscheinlich. Um etwa 7500 v. u. Z. wuchs ein Mädchen in der Regel unter der Autorität ihres Vaters auf, die sie noch als Teenager gegen die des Ehemanns eintauschte, der von seinem Alter her auch ihr Vater hätte sein können. Das Heiraten wurde zu einer Quelle des Reichtums, insofern diejenigen, die bereits über gutes Land und Herden verfügten, diejenigen heirateten, deren Familien in der gleichen glücklichen Situation waren, womit sich Besitz konsolidieren ließ. Die Reichen wurden noch reicher.
Werte, die zu erben sich lohnte, waren auch wert, gestohlen zu werden. Insofern ist es bestimmt kein Zufall, dass sich im Fruchtbaren Halbmond die Hinweise auf Befestigungsbauten und organisierte Kriegführung nach 9600 v. u. Z. häufen. Das Leben der Jäger und Sammler war bekanntlich von Gewalt bestimmt; es gab keine Hierarchien, die Leidenschaften in Zaum gehalten hätten, und für junge Angehörige dieser Gruppen war häufig auch Mord ein akzeptiertes Mittel, Streitigkeiten zu entscheiden. Um aber in Siedlungen zusammenleben zu können, mussten die Menschen lernen, die Gewalt zwischen den Siedlungsmitgliedern |112| in Grenzen zu halten.
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