Wer sagt, dass Kinder gluecklich machen
sich potenziert mit der Geburt unserer zweiten Tochter. Man denkt, es ist einfacher, weil man schon Erfahrung hat, aber der Stress verdreifacht sich. Man wird nicht jünger, man wird dünnhäutiger und kann den Schlafentzug nicht mehr so gut wegstecken. Und wenn die Kinder im Bett sind, will man nur noch fernsehen. An Sex ist nicht zu denken, im Gegenteil, man fragt sich: Ist da auch noch ein anderes Leben außer mit Kindern und gestresster Partnerin? So wie uns geht es, glaube ich, vielen Paaren. Auf dem Spielplatz sehe ich ständig Frauen, die bestimmt monatelang keinen Sex gehabt haben.
Wir haben einfach den Zeitpunkt verpasst, uns von Anfang an konsequent Freiräume zu verschaffen. Die braucht man, gerade wenn ein Kind da ist. Seit der Trennung sind meine Kinder an fast jedem Wochenende bei mir. Was auch nicht ganz unproblematisch ist, denn ich bin in einer neuen Partnerschaft. Ob ich mit meiner Freundin wieder ein Kind möchte? Ja, schon, jedes Mal, wenn ich so ein neugeborenes Kind sehe, denke ich, ich könnte gleich wieder loslegen. Das ist nicht logisch. Ich weiß wohl, dass ich mich auf eine neue Harakiri-Fahrt einlasse.«
Benjamin, 32, eine Tochter, 10 Monate
»Wenn das Baby schrie und nicht einschlief, war ich immer total irritiert, weil ich nicht wusste, was los ist, und Angst hatte, etwas falsch zu machen. Du kannst das Baby ja nicht fragen,
was los ist, und die Wut und der Druck, der sich dabei aufbaut, den projiziere ich auf das kleine Wesen. Der Drang, ein Ventil zu finden, ist da, man denkt, jetzt schrei ich mal zurück.
Wenn du dir ein Kind wünschst, dann stellst du dir vor, wie du ihm die Welt erklärst, Wegbegleiter bist. Oder ein süßes Baby, mit dem du stolz in der Gegend herumfährst. Du stellst dir nicht vor, dass dich jemand zwei Stunden lang anbrüllt. Manchmal bin ich auch eifersüchtig auf Bea. Ich kann unser Kind nicht beruhigen, Bea nimmt es und es herrscht Ruhe. Wieso nicht bei mir? Bea hat natürlich mit dem Stillen eine unschlagbare Waffe.
Man kann sich auch nicht richtig austauschen mit anderen Eltern. Seitdem unsere Tochter geboren wurde, treffen wir nur Eltern, bei denen angeblich alles toll läuft. Jedes Gespräch entwickelt sich zu einer Kinderolympiade. Man will nur bestätigt haben: Mein Kind ist geiler als dein Kind!
Man sieht sich plötzlich anders, nicht mehr als Paar. Es ist jetzt jemand dazwischen, um den sich alles dreht. Trotzdem fühlt es sich nicht organisch an, es fühlt sich eher so an: Auf der einen Seite bin ich, der Mann, und auf der anderen Frau und Baby. Man entdeckt neue Seiten an seinem Partner, positive und negative.
Was mich an meiner Partnerin Bea am meisten stört, ist ihr Umgang mit mir. Ständig Anweisungen: Mach mal das und das, wasch ab, häng die Wäsche auf, wieso hast du keine Windeln gekauft? Bei mir selbst stört mich, dass ich unkonzentriert bin, nichts mehr richtig auf die Reihe kriege. Abends hört sich das super an, was ich so plane für den nächsten Tag, aber ich neige leider zum laissez faire und schaffe nichts. Was mir allerdings überhaupt nicht fehlt, ist der Sex. Ich fühle mich asexuell, es ist auch zu schwierig, wenn Mira im Zimmer schläft.
Ich habe immer öfter das Gefühl, ich will hier weg. Ich will rausgehen und abfeiern und überhaupt nicht an die beiden denken. Wenn ich mir vorstelle, dass es so weitergeht, kaum noch Freunde treffen, kein Kino, kein Theater, keine Kneipentouren, dann bekomme ich ganz schlechte Laune. Ich glaube, wenn man die Probleme nicht verdrängt, würde keiner mehr Kinder kriegen.«
»Da war doch noch was?« – Libido perdu
Es kommt der Moment im Leben jedes frischgebackenen Elternpaars, in dem es am Bettchen seines friedlich schlafenden Babys steht, tief durchatmet und ihm auf einmal einfällt, dass es ja noch dieses eine Wort gibt. Stimmt, da war noch etwas. Und dieses Etwas heißt Sex. Bei einer beidseitig kräftigen Libido war die Schwangerschaft eine erotisch höchst unerwartet aufgeladene Zeit, in der Mann und gerade auch Frau so richtig viel Spaß miteinander hatten.
Das ist leider nicht immer so, denn viele Frauen brauchen für ihre sexuelle Entspannung einen Körper, den sie gern im Spiegel betrachten. Außerdem leiden sie, egal, ob schwanger oder nicht, sowieso an dem, was amerikanische Psychologen BDD nennen, »Body Dysmorphic Disorder«, und das bedeutet so viel wie: »Egal, wie ich aussehe, ich find mich sowieso scheiße.«
Ein typisch weibliches Phänomen, das durch die
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