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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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beschwerte die Ränder mit Besteck. Jasmine stellte den Wasserkocher an und war erleichtert, dass der drittelvolle Milchkarton im Kühlschrank noch nicht abgelaufen war. Sie war nur drei Tage weg gewesen, aber es kam ihr vor wie ein ganzer Monat.
    »Mein Vater hieß mit Spitznamen Drei-F«, sagte Fallan. »Nicht bei der Polizei – die Gangster haben ihn so genannt.«

    »Drei-F?«
    »Falscher Fuffziger Fallan.«
    »Ach so.«
    »Allerdings gibt es solche und solche korrupte Bullen. Natürlich ist es kein einfacher Job. Da kann man sich dauerhaft im Krieg befinden, also muss man sich überlegen, welche Schlachten man schlägt. Die, die man gewinnen kann und die, die am wichtigsten sind. Man kann nicht an allen Fronten kämpfen, und pragmatische Polizisten kapieren schnell, dass man sich nicht jeden einzelnen Dieb und Kleinkriminellen zum Feind machen muss. Man braucht Pakte. Man braucht Allianzen.«
    »Manche Verbrechen sind eben schlimmer als andere«, sagte Jasmine.
    »Öffentlich würden sie das nie zugeben, aber wenn sie gegen eine Sache hart vorgehen, müssen sie womöglich eine andere ignorieren. Natürlich beschweren sie sich immer, dass die da oben sich immer wieder anders entscheiden, was gerade das Schlimmste ist. Damals Anfang der Achtziger standen zum ersten Mal die Drogen ganz oben auf der Liste.
    Wie gesagt hab ich für einen Gangster in Gallowhaugh namens Tony McGill gearbeitet. Den Paten von Gallowhaugh, wie die Zeitungen ihn zu seiner Freude nannten. Er hat sich immer gerne als Traditionalist gesehen und von seinem Ehrenkodex geredet, den die jüngeren Gangster angeblich nicht einhielten. Er hatte drei Teile. Erstens: keine Zivilisten verletzen.«
    Er sah sie verschwörerisch an, weil sie darüber schon gesprochen hatten.
    »Zweitens: nie jemanden bei der Polizei verpfeifen; und drittens: keine Drogen. Tony schrieb sich Nummer drei groß auf die Fahnen, aber nur aus Notwendigkeit, weil er keinen eigenen Lieferanten finden konnte. Leute, die einen hatten, bedrohten seine Vormachtstellung. Deshalb nahm er es persönlich mit Nummer zwei auch nicht so genau. Er deutete die Regel wohl eher als: ›Lass keinen wissen, wenn du jemanden bei der Polizei verpfeifst.‹«
    »Er war ein Informant Ihres Vaters?«
    »Sie hatten beide was davon. Als Polizist braucht man Erfolge. Zahlen: Festnahmen, Beschlagnahmungen, Verurteilungen. Tony half meinem Vater und dessen Kollegen dabei, die Zahlen hochzuhalten. Er gab ihm Täter, Drogen- und Waffenlager, und mein Vater konnte seinen Vorgesetzten zeigen, wie gut er war. Doch Tonys Vorteil bei der Sache war nicht nur, dass mein Vater und seine Kollegen bei Tonys Geschäften ein Auge zudrückten. Mein Vater sorgte auch dafür, dass er der mächtigste Gangster der Gegend blieb, und hielt seine Konkurrenten in Schach. Ich dachte damals immer, er würde sie nur einbuchten.«
    Fallan starrte auf die Bildstreifen. Er war anscheinend mit den Gedanken weit weg, vielleicht in einer Vergangenheit, die sich dort in Infrarot widerspiegelte, wo wohl auch seine eigenen Sünden als winzige weiße Linien strahlten.
    »Sie müssen wissen«, sagte er leise und reuevoll, »dass ich mal so was wie der Luke Skywalker zu Tony McGills Imperator Palpatine war. Mit dem Unterschied, dass ich ein paar Jahre nach dem Tod meines Vaters tatsächlich den Platz an McGills Seite einnahm. Daher weiß ich über die ganze Sache Bescheid. Verbrecher halten über die großen Wahrheiten meistens dicht und verbreiten dafür fleißig Unsinn. Tony sprach nicht gerne mit mir über meinen Vater, aber ab und zu rutschte ihm etwas raus. Manchmal habe ich auch Geschichten von Leuten gehört, die weder wussten, dass er mein Vater, noch dass er Polizist war.
    Immer mal wieder hörte man das Gerücht, dass die Polizei Leute verschwinden ließ. Auf beiden Seiten des Gesetzes erzählte man sich diese Geschichten, und manche meinten, die Polizei hätte sie selber in die Welt gesetzt. Wenn die Bullen irgendeinem kleinen Krawallmacher ein bisschen Angst machen wollten, deuteten sie an, dass er mehr zu fürchten hatte als eine Nacht in der Zelle, und plötzlich war er ganz artig. Genauso ließ Tony seine Feinde glauben, dass die Polizei jeden verschwinden lassen würde, der ihm Schwierigkeiten machte. Auf jeden Fall ist es schwer, die Wahrheit vom Gerede zu unterscheiden. Damals habe ich nichts davon wirklich geglaubt, aber eins fällt mir jetzt doch wieder ein.«
    Fallan seufzte melancholisch und schaute auf eine Stelle am

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