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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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Sache verspricht, aber anderseits weiß ich auch sonst kaum was über ihn.«
    »Tja, bevor Sie wissen, was er will, und solange es nicht direkt etwas mit Ihnen zu tun hat, halten Sie sich da lieber zurück. Seien Sie sehr vorsichtig und lassen Sie sich zu keinen Vorurteilen ihm gegenüber hinreißen, egal ob positiv odernegativ. Einer mit seiner Vergangenheit, der zwanzig Jahre erfolgreich untergetaucht ist, ist entweder geläutert oder mordsgefährlich.«
    »Eins hat er aber erwähnt«, erinnerte sie sich. »Ich glaube, er wollte mich nur verwirren, aber er hat von der ›größten Gang von Glasgow‹ gesprochen. Meinte, ich soll mal jemand Älteres fragen. Wissen Sie, wer das sein soll?«
    »Klar«, erwiderte Sunderland, der jetzt ein bisschen angespannter wirkte. »Wir.«

Infrarot und Überschallknall
    Gegenüber der Ladenreihe im Erdgeschoss eines Eckhauses am Ende der Sackgasse fand Jasmine einen Parkplatz. Die Lücke war mit weißen Linien im Dreißig-Grad-Winkel zum Kantstein markiert, und auf beiden Straßenseiten standen die Autos wie Spielkarten aufgefächert. Die Straße war mit einer Phalanx von Betonpollern zu einer Sackgasse gemacht worden, die die jahrzehntelange Verbindung zur Hauptstraße unterbrochen und die Anfahrt verlängert hatten. Es war eine Wohngegend, deshalb gab es wenige freie Lücken und noch weniger Leute auf den Straßen. Sie waren nicht weit von Jasmines neuerlich verlassener Wohnung in einer Gegend der South Side, wo man manchmal diese isolierten kleinen Ladengrüppchen fand, als wären sie vom Innenstadtgletscher abgebrochen und davongetrieben.
    Fallan hatte ihr den Weg zum Kartenhändler gewiesen. Jasmine musste an die Ironie denken, dass er den Laden mit seinem Handy gesucht und sich davon auch hierher hatte navigieren lassen, ihr aber versicherte, dass das Relikt nicht digitaler, gedruckter Karten noch lange nicht nutzlos sei. Sie wollten Messtischblätter vom Großraum Glasgow in einem Maßstab besorgen, der so nah wie möglich an dem der Wärmebilder lag. Außerdem brauchten sie jeder eine Lupe und ein paar Textmarker, damit sie mit dem womöglich längsten Such-den-Unterschied-Spiel aller Zeiten anfangen konnten.

    Jasmine fand es nicht gerade ermutigend, dass Scottish Gas die Studenten für ihre Analysen immer acht Wochen lang anstellte, allerdings mussten die auch weit größere Flächen bearbeiten. Fallan ging davon aus, dass sie nur gut zwei Tage brauchen würden. Es würde mühsame, augenermüdende und nervtötende Arbeit werden, doch Jasmine war dankbar für das Projekt, denn es versprach zielgerichteten Fortschritt oder zumindest eine sinnvolle Beschäftigung, bis ihnen nichts mehr einfiel. Danach wartete ein Zustand, vor dem sie Angst hatte, ein Zustand ohne ihre Mutter, ohne ihren Onkel, ohne Job, ohne Ziel und ohne Geld.
    »Alles klar?«, fragte Fallan, als sie die Straße überquerten. »Sie wirken ziemlich besorgt.«
    »Das mit den leuchtenden Leichen. Ich krieg’s einfach nicht aus dem Kopf.«
    Das lag an der Verwesung, hatte McGranahan erklärt: Die chemischen Reaktionen, die beim langsamen Zerfall der Leichen stattfinden, produzieren genug Wärme, um von einer Infrarotkamera durch zwei Meter Erde und mehrere Hundert Meter klare Luft aufgezeichnet zu werden.
    Jasmine ging etwas schneller, als sie ein Auto näher kommen hörte, einen silbernen Vectra. Er würde in der Sackgasse sowieso langsamer werden müssen, aber Fahrer konnten sich manchmal wie die letzten Schweine aufführen und bremsten oft nicht mal, um einen herauszulassen, obwohl sie auf eine rote Ampel zufuhren. Er würde sowieso gleich wieder wenden müssen, da kein Parkplatz mehr frei war.
    »Es kommt noch schlimmer«, erklärte Fallan. »Manche der Friedhöfe waren zur Zeit der Aufnahmen schon seit Jahrzehnten geschlossen, und leuchteten nur ein bisschen schwächer als der Rest. Anscheinend brennt das eigene Licht nach dem Tod wirklich länger als im Leben – bloß kann man es nur auf Infrarotaufnahmen sehen, und am besten natürlich aus der Lu…«

    Er brach mitten im Wort ab, und wirkte plötzlich angespannt wie ein Tier, das etwas gewittert hatte.
    Jasmine sah, wie er den Kopf drehte, und Sekundenbruchteile später wurde sie schon um die Taille gegriffen und zwischen zwei parkende Autos geworfen. Sie fiel auf den Boden und stieß sich den Ellenbogen an einem Peugeot und das Knie auf dem Asphalt. Dabei hörte sie es über sich krachen und gleichzeitig, wie sich etwas in die Wand des Stadthauses

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