Wer schlafende Hunde weckt
Krankenhauskarte der Eltern, die die Entbindungsstation ausstellte, und einen Eintrag in der offiziellen Liste des Krankenhauses, die an das Standesamt weitergeleitet wurde.
An dem Sonntag hat Willie gesagt, ich soll eine Elternkarte besorgen und einen Eintrag in die Geburtenliste schreiben. Ich wollte erst nicht, aber das Geld war zu gut. Zweitausend Pfund, ein Vermögen. Wir wollten heiraten, uns die Hochzeit und Flitterwochen zusammensparen und dann zusammenziehen.
Ich dachte, es wäre wie immer – jemand brauchte eine falsche Identität. Vorher hatte Willie so eine immer als Komplettpaket verkauft. Mir hat er gesagt, es wäre wieder das Gleiche. Wenn man eine falsche Geburt registriert hat, kann man mit so einer Phantomidentität nämlich alles Mögliche anstellen: Kindergeld beantragen, sich einen Pass ausstellen lassen, was weiß ich alles. Ich hab nie gefragt.«
Wieder zog sie an der Zigarette und wieder schaute sie nach Renfrewshire, als wäre es das Land vergangener Sünden.
»Ich hab gerade gesagt, ich dachte, es wäre das Gleiche wie immer, aber ich wollt’s mir nur einreden. Dafür gab’s keine zweitausend. Das war mehr als sonst, aber ich hab nicht nachgefragt. Hab mich nur darum gekümmert, dass es klappt, ohne dass ich erwischt werde. Ich bin nie drauf gekommen, dass es irgendwie um ein echtes Baby gehen könnte. Nicht bevor Ihr Kollege Mr Sharp zu uns kam.«
»Sie haben ihn angerufen, oder?«, fragte Jasmine. »Das stand in der Anrufliste. Haben Sie ihm das Gleiche erzählt wie uns?«
Sie nickte.
»Mittwoch vor einer Woche. Er hat mich auf der Arbeit besucht, wie Sie auch. Wollte wohl ohne Willie mit mir reden.«
»Was haben Sie ihm noch erzählt?«, fragte Fallan. »Konnten Sie ihm einen Namen sagen?«
»Nein. Ich kann mich nicht mehr erinnern. Ein Junge, das weiß ich noch. Kein Vorname. Den braucht man für die Krankenhauskarte nicht – nur die Namen der Eltern. Falls die sich noch nicht sicher waren.«
»Sie wissen den Namen nicht mehr?«, fragte Fallan skeptisch. »Sie haben doch selber gesagt, es war nicht wie immer. Sie haben zweitausend Pfund gekriegt.«
Sie schämte sich sichtlich und schien den Tränen nah.
»Das ist schon fast dreißig Jahre her. Und ich hatte es vorher nicht nur ein, zwei Mal getan.« Sie verzog das Gesicht, verstört und bedrückt von der Erinnerung. »Es gab viele Namen – ich hab’s im Laufe der Jahre sechs, vielleicht sieben Mal gemacht. Ich weiß nicht mehr. Tut mir leid. Ich kann Ihnen aber dasselbe sagen wie Mr Sharp. Sie können sich auf dem Standesamt die männlichen Geburten dieses Datums ansehen. Aber nicht von diesem Krankenhaus«, fügte sie hinzu. »Damals war ich am Victoria.«
Geheime Tauschgeschäfte
Catherine machte sich langsam Sorgen, sie könnte aufgeflogen sein. Im Seitenspiegel konnte sie nicht viel mehr als die Beifahrerseite des Mondeos sehen, dafür aber die ganze Straße vor Fullertons Haus. Abercorn hatte sie noch nicht überquert. Er saß wohl immer noch im Wagen, doch worauf wartete er?
Sie verfluchte ihre Vorsicht, ihre Geduld. Sie hätte fünfzig Meter früher parken sollen, zwischen dem blauen Corsa und dem grauen A5. Von da hätte sie den Mondeo voll im Blick gehabt, und der große Handwerkerwagen vier Plätze hinter ihr würde ihr nicht die Sicht versperren. Oder sie war nicht geduldig genug gewesen und hätte noch ein bisschen weiter fahren und dann wenden sollen. Dann hätte sie auf der anderen Straßenseite in sicherer Entfernung mit dem Gesicht zu Abercorn parken können.
Abwarten. Einfach nur abwarten.
Sie wollte sich auf dem Sitz umdrehen, um zu sehen, ob sie so einen besseren Blick an dem Lieferwagen vorbei hatte, aber sie wusste, dass sie auf gar keinen Fall die Augen vom Seitenspiegel nehmen durfte. Der Sinn des ganzen Tages, womöglich der Schlüssel zur ganzen Ermittlung lag in dem Bild, das von dem kleinen, abgerundeten Glasrechteck zurückgeworfen wurde, also konzentrierte sie sich weiter darauf und wagte kaum zu blinzeln. Deshalb stieß sie vor Schreck fastans Dach, als die Knöchel einer Faust wenige Zentimeter von ihrem Ohr dreimal kurz gegen das Fenster auf der Fahrerseite klopften.
Sie fuhr herum, und aus dem Schrecken wurden Schock, Grauen und schließlich Erstaunen, als sie Dougie Abercorn mit strengem Gesichtsausdruck, aber erheitert funkelnden Augen sah.
Catherine stieg mit hochrotem Kopf aus dem BMW und wusste nicht, was sie sagen sollte. Ihr fiel nur ein: »Es ist nicht das,
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