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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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Vielleicht war es wirklich ein Test gewesen, einInitiationsritus, und vielleicht lag es an ihrer Ausstrahlung ab diesem Tag, aber auf jeden Fall wurde sie nie wieder um so etwas gebeten.
    Sie würde auch niemals irgendwen für sich lügen lassen, was sich einfach anhörte, man musste ja einfach niemanden fragen, sich in der Praxis aber viel komplizierter darstellte. Es war allgemeiner Konsens, dass man manchmal ein bisschen ausschmücken musste, damit ein Schuldiger sich nicht von seinem schlauen Anwalt rausboxen lassen konnte. So etwas ließ Catherine in ihren Fällen aber nicht zu. Wenn man irgendeine übertriebene Klage verlor, weil jemand gelogen hatte, war das eine Sache, aber Catherine wollte auf gar keinen Fall eine legitime, solide Verurteilung gefährden, weil die Kreativität mit jemandem durchgegangen war und er die Integrität des ganzen Falls aufs Spiel gesetzt hatte.
    Es gab auch Argumente dafür, so sein Glück zu versuchen, aber Catherine war keine Spielerin. Außerdem wollte sie ihr Verhalten nicht damit rechtfertigen, dass sie besser war als der Abschaum, den sie wegsperrte. Sie wollte an ihrem Verhalten selbst erkennen können, dass sie besser war.
    Catherine ging durch die Lobby und versicherte sich auf den Bildschirmen, in welchem Saal heute Crown gegen Agnew verhandelt wurde. Von dem Fall erwartete sie keine große Spannung und fürchtete auch keine unberechenbare Laune des Gerichts.
    Sammy Agnew war früh an einem Aprilmorgen aus dem kalten Wasser eines Kanals gerettet worden, nachdem zwei Jogger ihn gefunden hatten, festgeklammert an einem Abwasserrohr. Er zeigte starke Unterkühlungssymptome, die er wahrscheinlich nicht von denen eines vorangegangenen über zweiundsiebzigstündigen Saufgelages unterscheiden konnte.
    Catherine staunte oft darüber, wie viele Mordfälle mit »dreitägigen Alkoholexzessen« zusammenhingen, wie es vor Gericht beschrieben wurde. Heutzutage hielt sie kaum nochdrei Stunden durch. Zwei Gläser Wein, wenn die Kleinen im Bett waren, und schon dämmerte sie selig ein.
    In einem Pub hatte sie vor Kurzem gehört, wie ein junger Mann seinen Kumpel daran hinderte, an der Bar einen Burger und Pommes Frites zu bestellen. Die Begründung: Essen gilt nicht. Selbst vor zwanzig Jahren hätte sie mit so einer Einstellung nichts anfangen können. Bei Typen wie Agnew war »Missbrauch« eigentlich ein viel zu alltäglicher Begriff für das, was sie mit Alkohol machten. Wahrscheinlich erforderte es weniger Zeit und Disziplin, seinen Körper auf olympisches Niveau zu bringen, als ihn auf so eine zeitliche wie quantitative Ausdauer beim Trinken hochzutrainieren. Bloß würde Sammy keine Medaille bekommen.
    Denn während er sich gerade im Krankenhaus aufwärmte, wurde sein sogenannter bester Freund und Saufsportkumpan Peter Leckie aus demselben Kanal gefischt. Peter hatte allerdings nicht so viel Glück gehabt; seine Chancen, den trügerischen Tiefen zu entkommen, waren nämlich von der Tatsache geschmälert worden, dass er schon seit Stunden tot war, als er ins Wasser fiel.
    Sammys Verteidigung lautete, er und Peter seien bei einem gemeinsamen Abendspaziergang von ein paar Schlägern aus der Gegend überfallen worden. Sie hätten Sammy in den Kanal geworfen, aber Peter habe sich gewehrt, was zur Folge hatte, dass er brutal zusammengetreten wurde, als die Gegenseite schließlich die Oberhand gewann. Das erklärte zwar die mehrfachen stumpfen Traumen an Peters Kopf, ein paar kleinere Fragen blieben aber offen. Zum Beispiel, warum Sammy von der Überwachungskamera eines nahe gelegenen Morrisons-Supermarkts beim Entwenden eines Einkaufswagens gefilmt wurde, mit dem er vor mehreren Zeugen einen reglosen Menschen Richtung Kanal schob, wobei er »huiiii« rief, um den Eindruck zu erwecken, dass er und sein Freund sich nur einen harmlosen Spaß erlaubten.

    Auch die Blutspuren überall bei Sammy zu Hause gaben Rätsel auf; er hatte sicher putzen wollen, sobald er zurückkam. Sein gerissener Plan war wohl gewesen, die Leiche in den Kanal zu fahren, damit es wie ein Unfall aussah – betrunkener Schabernack unter Freunden, der ein tragisches Ende genommen hatte. Am traurigsten war eigentlich, dass Sammys alkoholgetränktes Gehirn den Plan zu dem Zeitpunkt wohl völlig logisch fand. Dummerweise kam zu seiner Unkenntnis jeglicher modernen Forensik und Ermittlungstechnik noch das Missgeschick, dass der sturzbesoffene Vollidiot gleich mit seinem verschiedenen Ex-besten-Freund in den Kanal gefallen

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