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Wer sich nicht wehrt

Wer sich nicht wehrt

Titel: Wer sich nicht wehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wildenhain
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Lachen nicht sehr angenehm zu finden, doch unterhielten sie sich weiter. Die Vertrautheit gab mir einen Stich im Magen. Ich beschloss auf Viktor zu achten. Jetzt fragte Ayfer ihn auch noch nach Istanbul. Ich schüttelte den Kopf und ging verärgert aus der Klasse.
    Die nächste Zeit benahmen sich die Brüder seltsam unauffällig. Einige von uns fingen schon an zu hoffen, dass die beiden endlich friedlicher geworden seien, nicht nur im Augenblick – für immer.
    Ayfer glaubte nicht daran. Und Sürel ging, als er sich wieder ausreichend bewegen konnte, zum Kung-Fu und zum Karate – auch wenn wir darüber lächelten, weil er so eigenartig lief.
    Ich war genauso wenig sicher, fragte mich oft, ob die Brüder nicht bloß einfach Atem holten. Aber meistens schaute ich nur noch nach Viktor. Er war anders als die andern, nicht bloß bei uns im Unterricht. Zum Beispiel stand er auf dem Schulhof nie mit irgendwem zusammen, sondern lief in jeder großen Pause dreimal um den betonierten Platz.
    Lisa fragte ihn: »Was machst du?«
    Viktors Antwort: »Mein Gehirn muss in den Pausen lüften. Manchmal träume ich beim Gehen vor mich hin.« Wir fassten uns hinter seinem Rücken an die Köpfe.
    Häufig lief einer der Brüder neben ihm und verstellte Viktor, der jedoch nur wortlos auswich, brüsk den Weg. Wir andern lachten. Nach ein paar Tagen fingen sie an ihn zu schubsen oder tanzten mit hochgereckten Armen blöd um ihn herum. Viktor ließ sich nicht beirren.
    Nach einer Weile guckte kaum noch einer zu ihm hin. Nur Ayfer. Das gab mir zu denken. Sie verfolgte Viktors stummes Ringen mit den Brüdern in jeder Pause, achtete genau darauf, wie er reagierte. Eine Woche später war es dann so weit.
    Viktor lief die erste Runde. Eberhard lief neben ihm. Und auf Viktors Kreisbahn wartete Karl-Heinz, Hände in den Taschen.
    Viktor ging ohne zu zögern auf ihn zu. Die Arme hingen wie zwei dürre Stecken an ihm herunter. Er wollte wie gewohnt kurz vor dem Zusammenstoß ausweichen. Doch Eberhard schubste ihn, sodass sich Viktor, um nicht hinzufallen, an dem zweiten Bruder festhielt und dabei, weil er stolperte, auf dessen Zehenspitzen trat.
    Sicher hatte Karl-Heinz durch die dicken Stiefel kaum etwas gespürt. Dennoch sah er nach den Kappen, hielt Viktor am beigen Mantel Zentimeter von sich weg und sagte: »Du hast meine Schuhe bekotet, also wisch die Scheiße wieder ab – mit deinem Mantel.«
    Viktor lächelte, ein Hauch: »Nein.«
    Danach schien er lange über etwas nachzudenken. Ehe ihn die Brüder hinknien lassen konnten, sagte er, anscheinend ohne dabei Furcht zu spüren: »Denn das eben, das war Absicht. Außerdem …« Viktor machte eine Pause, um die Wirkung seiner Worte noch zu steigern: »Außerdem, wer vor einer Lampe flüchtet, ist für mich ein Schlappschwanz.«
    Viktor hatte laut gesprochen. Vor Verblüffung und vor Scham stutzten die Janetzkis und wandten sich den andern zu, uns, die von der Treppe aus den Zwischenfall verfolgten.
    Niemand lachte laut, doch alle, selbst die Lehrer, mussten grinsen. Auch wenn wenige verstanden, worauf Viktor sich bezog.
    Und die grinsenden Gesichter gaben ihm genügend Zeit, seinen steifen weißen Kragen glatt zu streichen und die Runde fortzusetzen. So, als hätte keiner ihn behindert.
    Sie wussten ihn nicht einzuschätzen. Uns ging es ebenso. Sie sagten: »Sieh dich lieber vor!« Wir sagten überhaupt nichts.
    Aber die Brüder ließen ihn in Ruhe.
    Viktor lief weiter seine Runden, ließ seine Gehirnzellen Luft schnappen während der Pausen, wurde kaum beachtet und redete mit niemandem.
    Am neunten Tag, nachdem er zu uns gekommen war, sprach Tina ihn vorsichtig an. Nicht während er den Schulhof umrundete, sondern erst nach der letzten Stunde.
    Wir standen in der Nähe und warteten, nicht sehr gespannt. Sie fragte: »Willst du rauchen?«
    Viktor erwiderte: »Nein, vielen Dank, ich rauche nicht. Rauche niemals, weißt du. Danke.«
    Wir mochten Tina nicht besonders, hielten sie für eigenartig. Nicht so wie Viktor – anders. Schon in der siebten Klasse hatte sie einen älteren Freund gehabt. Wir hatten ihr nachgestellt. Sie hielt uns für kleine Kinder. Wir starrten ihr, wenn sie nicht guckte, zwischen ihre Oberschenkel. Die Röcke, die sie trug, waren schmal und rutschten oft beim Gehen hoch. Sie zog dann dran. Es nützte nur für kurze Zeit. Und selbst wenn sie mal Hosen trug: Es lohnte sich, sie anzuschauen. Sie hatte schon richtig große Brüste. Nicht wie Schneewittchen: weder Arsch noch

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