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Wer sich nicht wehrt

Wer sich nicht wehrt

Titel: Wer sich nicht wehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wildenhain
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versehentlich an dessen rechten Stoßarm.
    Ich hatte all die Fachwörter gelernt, um zu verstehen, wovon die andern redeten, und konnte trotzdem genauso wenig spielen wie vorher.
    Der Queue des großen Arabers berührte die schwarze Acht. Sie rollte sehr gemächlich auf eins der Mittellöcher zu. Karl-Heinz fuhr vor und fing sie auf, bevor sie fallen konnte.
    »Da habt ihr echtes Schwein gehabt«, sagte der große Araber und legte sich die Kugel, um seinen Stoß zu wiederholen, erneut zurecht. Er grinste.
    Man konnte, weil er seinen Mund weit aufriss wie ein Pferd, das gähnt, die goldbesetzten Zähne sekundenlang betrachten.
    Ich sah, wie sich Karl-Heinz schon spannte, sah, wie er sich bereitstellte, sah auch, dass zwei der Türken den Billardqueue fester umfassten, und wusste, dass der Araber aus den Augenwinkeln darauf achtete, was Karl-Heinz oder Eberhard unternehmen würden.
    Sie taten nichts. Eberhard hielt seinen Bruder an den Armen fest.
    Und deutete, ein unscheinbares Nicken, auf Frankie, den Besitzer – und auf den großen Dobermann, der neben der Musikbox auf einer Decke lag.
    Der Araber platzierte die schwarze Acht im letzten Loch, kassierte von den Türken Geld und alle gingen, während sich die Brüder Kugeln und Queues bereitlegten, zum Tresen, wo der Dobermann auf seine Decke sabberte.
    Nachdem die vier bezahlt hatten, schlurften sie zum Ausgang und fingen an sich laut zu streiten. Man hörte sie im Treppenhaus: Türkisch, Deutsch, Arabisch oder nur Gebrüll.
    Vielleicht waren ihr Streit und das Gebrüll nur vorgetäuscht. Doch daran dachte ich erst später. Sollte vielleicht der Anlass sein, um mit zwei deutschen Kahlköpfen ein Spiel zu spielen: Wer von uns ist besser? Wer hat vor wem am meisten Schiss? Man weiß so etwas immer erst, wenn alles schon vorbei ist.
    Wir standen um den Tisch herum, rückten die Kugeln an die Stelle, wo sie am Anfang liegen müssen. Ich merkte, dass meine Hände vor Aufregung schon schwitzten. Da drängten sich die vier dazwischen.
    Nicht grob, nur so, als wär der Tisch von ihnen noch belegt. Der Araber erklärte uns, sie bräuchten unbedingt Revanche. Ich wusste, was passieren würde. Deshalb fing ich an zu zittern. Ich dachte an den Nachmittag im Park, als die Brüder Franco und Kai verprügelt hatten, sah den Ausdruck, der die Gesichter der beiden stumpf erscheinen ließ, als habe man die Züge, die gerade noch lebendig waren, in kaltes Wachs gegossen. Nur in den Augen blieb ein Glanz, hart, ruhig und böse.
    »Nein«, sagte Eberhard, »das ist unser Tisch.«
    Der Araber schlug mit einer Flasche zu. Doch Karl-Heinz fing den Schlag mit dem Unterarm ab, rammte dem Araber den Kopf gegen den Brustkorb. Und dann sagte er leise, aber so, dass auch die Türken es verstanden: »Ihr fickt doch eure Mütter. Verpisst euch in den Busch.«
    Der Araber war sicherlich sechs Jahre älter als die Brüder. Auch die Türken wirkten so, als seien sie schon achtzehn. Doch würde ihnen, selbst wenn Franco und ich nur einfach stehen blieben, um zuzusehen, der Unterschied kaum etwas nützen. Genauso wenig wie der Queue, mit dem ein Türke ausholte, als Karl-Heinz ihm gegen die Knie trat.
    Der Türke fiel nach hinten. Der Dobermann am Tresen knurrte. Vorm Fenster zündeten die Lampen, weil es draußen dämmerte.
    Frankie, der aus dem Keller kam, griff nach dem Schlagstock, brüllte: »Halt!« Und Eberhard warf eine Billardkugel dem zweiten Türken mitten ins Gesicht.
    Der Türke spuckte Blut. Die Gäste rückten von ihren Tischen ab. Die Kugeln rollten unbehelligt über das grüne Billardtuch, und manche fielen in ein Loch.
    Der Dobermann war aufgesprungen und biss jetzt einer Frau ins Bein. Frankie schrie: »Das bezahlt ihr mir!« Und Eberhard, in jeder Hand zwei weitere Kugeln, klickediklack, darunter auch die schwarze Acht, trat dem großen Araber, der sich im Billardfilz verkrallte, in den Unterleib. Das Messer, das er in der Hand hielt, klirrte vor ihm auf den Boden, weil er stöhnen musste und sich dann erbrach.
    Während sich die Gäste, und zwischen ihnen Frankie, mit dem Dobermann abmühten, murmelte Karl-Heinz: »Kacke. Hauen wir ab.«
    Ich sah mich im Spiegel nicken. Nur Franco, der dem dritten Türken mit einem Queue gegen den Kopf schlug – von hinten, und man konnte hören, dass etwas im Kopf zerbrach – hatte mich vielleicht gesehen. Aber da war ich ihm schon lange nicht mehr wichtig.
    Der dritte Türke fiel, ohne die Hände noch vor sein Gesicht zu heben, auf einen

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