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Wer sich nicht wehrt

Wer sich nicht wehrt

Titel: Wer sich nicht wehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wildenhain
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Billardtisch im Eck und blieb – sein Haar war voller Blut – reglos zwischen den bunten Kugeln auf dem grünen Billardfilz liegen.
    Karl-Heinz nuschelte: »Komm jetzt endlich!« Der Dobermann zerbiss zwei Mäntel. Ein Gast versuchte die Geldscheine aus der Kasse zu nehmen. Frankie versprühte Tränengas. Der Türke, der sich sein Knie hielt, sagte zu Franco: »Mann, bist du ein Feigling!«
    Und obwohl Franco schon drei Schritte zum Notausgang gemacht hatte, blieb er nun stehen, ballte seine Fäuste, knirschte mit den Zähnen und wurde puterrot. Obwohl es ihm sehr schwerfiel, sich überhaupt noch zu bewegen, nicht aufzustampfen und zu schreien oder vor Wut zu heulen, drehte er sich dem Türken zu, der wegen seinem Knie nur sitzen konnte, und trat ohne zu zielen gegen den Oberkörper, die Arme und den Kopf des Hockenden. Der Türke schaute ihn nur an und lachte – trotz der Schmerzen. So, als ob er sagen wollte: Mann, bist du ein jämmerliches Würstchen!
    Mir fiel ein, dass er beim Billardspielen einen Arm, sonderbar steif, eng an den Körper gepresst hatte und seinen Queue vor jedem Stoß erst ungeschickt zurechtrücken musste. Jetzt rutschte der Ärmel seines Sweatshirts ein Stück hoch. Und während er noch lachte, obwohl aus seinen Augenbrauen schon Blut in seine Augen lief, konnte man sehen, dass sein Arm bis an den Ellenbogen eine Prothese war.
    Trotzdem trat Franco weiter zu. Bespuckte den am Boden Verkrümmten und beschimpfte ihn. Er schrie: »Ich werd dir zeigen, wer hier ein Feigling ist!«
    Und auch, als Eberhard ihn hochnahm, ihn durch das trübe Tränengas, verknäulte Gäste, Billardkugeln und Biergläser zum Notausgang zu schleppen versuchte, strampelte Franco weiter mit den Beinen. Und schrie dem Türken zu: »Ich kriege dich!«

16
    Seit der Schlägerei beim Billard sah ich die Brüder kaum noch, weil Franco mir endgültig zuwider war und weil er sich mit ihnen so oft wie möglich traf. Trotzdem war ich der Einladung Eberhards gefolgt, kam aber viel zu spät. Es war schon dunkel.
    Ich schob die lose in den Angeln hängende Gartentür zurück, lief lautlos über eine Wiese, vorbei am Baum, an dessen Fuß Ayfer damals gesessen hatte, und hörte, ehe ich die Laube erreicht hatte, die Stimmen von Franco, von Karl-Heinz und dann von Tina.
    Und weil mich irgendetwas davon abhielt, das Gartenhäuschen zu betreten, blieb ich vor dem Fenster stehen, im Schatten, sodass niemand mich sehen konnte. Im Innern war es hell.
    Sie spielten zu dritt Flaschendrehen. Nur Eberhard saß regungslos auf der Matratze, abseits, und sah den andern zu.
    Tina saß, schon beinahe nackt, auf einem Schemel. Und die Flasche, die auf dem Tisch zur Ruhe kam, zeigte auf Franco, der noch seine Jeans trug, aber zunächst zu zögern schien – obwohl ihm Karl-Heinz zunickte, als ob er ihn ermuntern wolle, nun endlich, wie verabredet, die Hose auszuziehen.
    Franco stand da und schämte sich. Und während er sich schämte, wirkte er wirklich wie ein Spanier. Die Haare waren dunkel, schwarz und glänzten vor Pomade.
    Karl-Heinz trat langsam auf ihn zu. Ich konnte nicht genau erkennen, ob es noch Spiel war oder Ernst. Er öffnete, ein knapper Ruck, Francos Gürtelschnalle. Die Jeans glitten an Francos Schenkeln herab. Darunter trug er nichts. Und deshalb grinsten Tina und Karl-Heinz.
    Sie sagten: »Also!«, sahen sich an. Franco hielt seine Hände vor sein Schamhaar.
    Ich dachte daran, wie er mir erzählt hatte, dass Unterhosen nur etwas für echte Spießer seien. Jetzt sah er gar nicht mehr so aus, als ob er noch der Meinung wäre. Er starrte auf den Boden und rührte sich nicht.
    Dann trippelte er ungeschickt, weil ihn die Hosen hinderten, auf einen dünnen Vorhang zu, als wolle er sich dort verstecken.
    »Is’ nich«, murmelte Karl-Heinz.
    Und als Franco bittend zu Eberhard hinübersah, immer noch hielt er die Hände vor seinen Schwanz und seine Hoden, murmelte Karl-Heinz erneut: »Is’ nich, Alter, komm schon! Es war abgemacht …«
    Dann stellte Tina die Musik an. Und während sie sich schlangengleich in das Cocktailkleidchen zwängte, sich zur langsamen Musik anfing zu bewegen und ein verruchtes Lächeln ausprobierte, reichte Karl-Heinz Franco den abgeschabten Smoking, grinste und meinte: »Du solltest die Hose ganz ausziehen, das ist bequemer …«
    Zuerst dachte ich, Franco würde trotzig den Kopf schütteln oder vielleicht aufstampfen. Doch dann streckte er tatsächlich eine Hand nach dem Smoking aus.
    Tina kam näher. Und als

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