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Wer sich nicht wehrt

Wer sich nicht wehrt

Titel: Wer sich nicht wehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wildenhain
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für Augenblicke Ruhe. Dann prusteten die meisten von uns los.
    Und mit einem Mal, als sich das Lachen auch nicht beruhigte, nachdem der Lehrer Viktor aus der Klasse geschickt hatte, konnte man spüren, dass sich bei vielen etwas Angestautes Bahn brach. Man fühlte, welche Angst sie vor den Brüdern empfunden haben mussten. Alle glucksten. Karl-Heinz schlich gebeugt zu seinem Platz zurück. Ich merkte, wie sich Ayfer neben mir spannte. So, als wüsste sie erst jetzt, dass es doch kein Irrtum war, Viktor ganz okay zu finden.
    Und während sich alle erleichtert bewegten und in der Bank herumrutschten, saß Eberhard ganz still. Ich sah seine Blicke, die kalt waren und schneidend und Viktor verfolgten, bis sich die Tür hinter ihm schloss.

21
    Es war verblüffend zuzuschauen, wie sich die Stimmung änderte: Mit einem Schlag war Viktor nicht mehr der Sonderling, den alle für feige und beschränkt gehalten hatten, sondern der Klassenkamerad, der Karl-Heinz und Eberhard die Stirn bot.
    Ich mochte unsere Klasse seither nicht mehr besonders, denn niemand bis auf Ayfer hatte sich in der Zeit davor um Viktor gekümmert. Im Gegenteil, sie hatten ihn verachtet, weil er sich auch bei kleinen Sticheleien nie zur Wehr gesetzt hatte, sondern immer so tat, als könne er darüber leicht hinwegsehen, als mache es ihm gar nichts aus, obwohl das keiner glaubte.
    Ich mochte Viktor nach wie vor nicht und es wurde mir unbehaglich, sobald ich sah, wie Ayfer sich erneut um ihn bemühte. Sie hat doch, dachte ich, das Haus mit all den Porzellangeparden und einer thailändischen Frau, die da bedient, gesehen! Und auch, wenn ich nicht sicher war, ob mich nicht nur die Eifersucht zu dieser Überlegung trieb, war eine Sache ganz gewiss: Die Aufräumfrau aus Thailand musste doch einer Türkin viel näherstehen als mir.
    Während der ersten großen Pause, nachdem Viktor Karl-Heinz hatte blöd dastehen lassen, lief Ayfer neben ihm die Runde und wollte ihm ihr Messer anbieten, mit dem sie nach wie vor zur Schule ging.
    Sie sagte: »So was brauchst du jetzt!« Er sträubte sich dagegen. Das konnte man erkennen. Denn sein Gesicht verzog sich beim Anblick ihres Messers, als würde er sich vor der Klinge ekeln.
    Ich sah, wie Sürel, der dabeistand, nickte. Wahrscheinlich sprach er nachdrücklich auf Viktor ein: »Das brauchst du wirklich!«
    Die Brüder warteten mit Franco und fünf andern aus der Klasse etwas abseits. Hatten sich am Schulhofausgang auf ein Gittertor gesetzt. Baumelten dort mit den Beinen. Steckten manchmal ihre Köpfe dicht zusammen, tuschelten. Und bevor es klingelte, liefen sie, vorbei an Viktor, rasch zurück ins Schulgebäude.
    »Diesmal«, sagte Ayfer leise, »fangen sie dich vor der Klasse ab.«
    Doch sie irrte sich. Die Brüder saßen schon im Klassenzimmer. Vorn an der Wandtafel malte Maren Schubert Striche. Wieder ein Schaubild, dachte ich. Die Stühle schurrten noch übers Linoleum. Aber als sich alle Schüler gesetzt hatten, sagte Maren Schubert: »Morgen ist die Klassensprecherwahl.«
    Und nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Heute küren wir die Kandidaten und bis morgen habt ihr Zeit, um drüber nachzudenken. Soll ja niemand unbedacht entscheiden …«
    Sie ließ die Worte nachklingen. »In die Felder der Tabelle schreibe ich die Kandidaten. Unter jeden Kandidaten kommen die abgegebenen Stimmen. Falls ihr nur zwei Namen vorschlagt, wählen wir im Hammelsprung: Jeder Schüler geht auf eine Seite unseres Klassenzimmers. Sitzen bleiben heißt: Enthaltung. Wie lauten eure Vorschläge?«
    Noch war nichts zu hören. Bis auf Maren Schuberts Fröhlichkeit, die im Klassenzimmer hallte, so, als ob ein Pingpongball durch den Raum springt, lustig von den Wänden prallt, immer auf und nieder.
    Schließlich, während ich mich fragte, wieso eine Lehrerin unablässig fröhlich sein muss, erhob sich Sürel leicht vom Stuhl und knurrte: »Ich schlag Viktor als Klassensprecher vor.«
    Dabei schielte er zu Franco, der seit ein paar Tagen nicht mehr neben ihm saß, weil beide sich im Unterricht aus der Bank gestoßen hatten: Franco noch mit frischer Glatze, Sürel ganz der Held aus einem Western.
    Maren Schubert fragte: »Willst du?«
    Viktor nickte undeutlich, weil er noch zu überrascht war.
    Einige bestärkten ihn sich als Kandidat zu stellen. Ich begriff, dass in der Klasse nur der zählt, der auch zurückhaut.
    Karl-Heinz brummte: »Ich bin dann für Franco.«
    Maren Schubert fragte: »Willst du?«
    Auch Franco nickte undeutlich,

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