Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
verbessern. In der Spitze steckt ein Schockgaswerfer mit einer Reichweite von zwei Metern, die Füllung genügt für etwa ein Dutzend Einsätze; hier im Griff befindet sich ein Rayvolver mit vier Ladungen, und wenn du den Griff abschraubst und umdrehst, hast du einen Trinkbecher. Das allerdings war nicht meine Idee, das haben kluge Engländer schon vor ein paar hundert Jahren erfunden. Der Stock faßt ein viertel Liter. Du darfst dir was aus meinen Beständen aussuchen.«
»Du hast an alles gedacht«, sagte Smiley anerkennend.
»Ich hoffe. Nun noch die Peilanlage. Den Sender steckst du dir in die Tasche, den Empfänger schaltest du an deinen Communicator im Büro und verbindest den mit meiner Nummer. So bekommen wir eine Dreipunktpeilung, und Napoleon weiß immer, wo wir sind.«
Smiley starrte Timothy entsetzt an. »Bist du wahnsinnig?« brach es aus ihm heraus. »Auf den Betrieb überbezirklicher Funkanlagen steht die Todesstrafe!«
»Wer spricht denn von einer Funkanlage? Dies ist eine Notruf-Frequenz, und sie ist von der Funküberwachung genehmigt. Eine für dich und eine für mich. Daß wir die Dinger umpolen, den Sender mitnehmen und den Empfänger installieren, wird niemand merken.«
»Und wie erfährt Napoleon, wenn wir Hilfe brauchen?«
»Sobald beide Geräte schweigen, vergleicht er die letzten Koordinaten mit dem Stadtplan –«
»Mit dem Stadtplan! Weißt du etwa nicht, daß der kantenverzerrt und winkeluntreu ist?«
Timothy schmunzelte. »Napoleon wird schon damit fertig.« Er verriet Smiley nicht, daß er Napoleon die Originalmeßtischblätter von Chicago eingespeichert hatte. »Sobald unsere Signale verstummen, ruft er Inspektor Hopkins an, er habe soeben ein leider verstümmeltes Communic empfangen, Mister Truckle befinde sich dort und dort in Gefahr.«
»Hoffentlich kommt er dann auch schnell genug. Wie bewegen wir uns eigentlich, Tiny?«
»Zu den Kasinos fahren wir per Aerotaxi. Wenn wir in die Parks müssen, steigen wir in die Metro um.«
»Das muß ich erleben!« Smiley jubelte laut. »Timothy Truckle in der Metro – darf ich das aufnehmen? Das glaubt mir sonst kein Schwein.«
»Du darfst jetzt in dein Büro fahren und den Peilempfänger anschließen. Und dann lerne deinen Code. In spätestens zwei Stunden brechen wir auf.«
Timothy rief den Großen Bruder an.
»Ich melde mich sofort zurück, wenn ich die Wohnung wieder betrete«, schloß er seinen Bericht. »Im Notfall kann Napoleon mich auch unterwegs benachrichtigen, daß du mich sprechen willst.«
»Ich denke, du hast die Notruf-Frequenz umgepolt?«
»Napoleon würde ein ultrakurzes Signal zu meiner Taktilweste senden, das kann niemand anpeilen. Ich käme dann sofort nach Hause, um dich anzurufen. Du mußt nur ausnahmsweise mal über das Netz kommen. Melde dich als Jacques Puissant, das wird der Überwachung am wenigsten auffallen; ich bekomme in den nächsten Tagen bestimmt Dutzende von Communics wegen Puissant, und er selbst ruft unter Garantie nicht an. Ich instruiere Napoleon, daß er mir, sobald Puissant mich sprechen will, den Rücken streicheln soll.«
»Ich weiß nicht, Tiny – ist es wirklich nötig, daß du dich mit diesem Fall beschäftigst?«
»Versuch nicht schon wieder, mich zu agitieren. Puissant ist der einzige Mensch in den Staaten, der mir zeigen kann, wie man ein Soufflé fantastique zubereitet.«
3.
Wo anfangen? Es gab achtzehn VIP-Kasinos in Chicago.
»Einem Spieler kann man nur mit Spiel beikommen«, sagte Timothy und schrieb die Namen der Kasinos auf die Steine des Mühlespiels. »Komm, Smiley, der letzte geschlagene Stein wird das erste Reiseziel.« Es war das »Casino der Sieben Himmel«.
Unterwegs erprobten sie die Taktilsender. Smiley begriff es schneller als Timothy, obwohl der die Zeichen ausgeknobelt hatte. Sie machten einen langen, hakenreichen Umweg durch das Korridorsystem der Etage, dirigierten einander mit unvermittelten Signalen, stiegen sogar eine Treppe hinunter, von deren Existenz Timothy bislang nicht einmal etwas geahnt hatte, gerieten in die abendlich leere Ladenstraße im 825. Stockwerk und machten einander von Brust zu Rücken auf Schaufensterauslagen aufmerksam. Sie wurden von einem Safeman angehalten. Er studierte lange Timothys Identicat, bevor er dessen fadenscheinige Erklärung akzeptierte, er habe seinem Freund nur die neuen DIOR-Modelle zeigen wollen; als wenn man sich die nicht wesentlich besser am Videoschirm vorführen lassen konnte, jederzeit und von einem Mannequin
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