Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
seiner Wahl.
Die »Sieben Himmel« erwiesen sich als ein nackter, von Smog und Regen zernarbter, fensterloser Betonklotz. Die oberste Etage diente als Lande- und Empfangshalle, von hier ging es dann Himmel um Himmel abwärts, der fünfte lag schon unter der Erde.
Timothy ließ sich von dem »Maître de Plaisir«, der sie in Empfang nahm, genau erklären, was sie wo finden könnten, versicherte dann aber, daß sie sich weder für die beiden Sex-Etagen noch für den ersten, den gastronomischen Himmel interessierten, auch nicht für den sechsten, in dem man alle Träume erwerben konnte, die mit Traumaten und Halluzinogenen zu erreichen waren, noch den siebenten, dessen »Wolken« psychedelische Simulationskammern waren, mit Videoschirmen nicht nur an allen vier Wänden, sondern auch an Decke und Fußboden, so daß man in der totalen optischen und akustischen und psychosensischen Illusion nahezu alles erleben konnte, Rückkehr in die Welt der Kindheit ebenso wie Geschlechtertausch und Expeditionen in die schönsten und grauslichsten Welten. Sie streiften durch die Säle der beiden Spieletagen, konnten aber nirgendwo Puissant entdecken. Schließlich gingen sie zurück zum Empfang. Timothy winkte den »Maître de Plaisir« heran.
»Ich habe heute kein Glück«, erklärte er ihm, »und ich habe es mir zum Prinzip gemacht, aufzuhören, wenn ich in einer Strähne zehntausend verloren habe. Ich war mit einem Freund verabredet«, er zeigte Puissants Foto, »würden Sie mich wissen lassen, wenn er noch kommt?«
Der Maître lächelte. »Es ist unser Grundsatz, niemals eine Information über einen Gast zu geben.«
»Ich weiß«, erwiderte Timothy, »deshalb bitte ich Sie auch nur um eine Nachricht.« Er zog sein Giroheft hervor, schrieb einen Scheck über tausend Dollar aus, riß den Sicherungsstreifen ab und notierte auf der Rückseite Smileys Nummer. »Falls er doch noch kommt.«
Der Maître verbeugte sich. »Ich hoffe es.«
Sie fanden Puissant weder in »Disneyland« noch im »Casino de Paris«, dafür trommelte es »Im Goldenen Westen« auf Timothys Rücken Alarm. Auf der Bühne des Raums, der wie eine als Festsaal improvisierte Scheune aus dem frühen 19. Jahrhundert eingerichtet war, hockten sich zwei Männer im »Comanchen-Duell« gegenüber.
Timothy und Smiley versuchten, sich zur Bühne vorzudrängeln, konnten aber nur einen Platz an der Wand ergattern. Smiley hob Timothy kurz entschlossen hoch und setzte ihn auf ein Wagenrad.
Ja, der weißhäutige, dreibäuchige Mann auf der Bühne konnte Puissant sein. Der Federschmuck der Indianerhaube verdeckte die Ohren, aber seine Unterarme waren tätowiert, wenn Timothy auch nicht ausmachen konnte, ob ein Drache dabei war, und er trug ganz unindianisch einen Bart, einen Vollbart zwar, aber was besagte das schon.
Sein Gegner schien ein echter Indianer zu sein, er war jung und trainiert. Es sah aus wie ein Kampf zwischen einem Profi und einem Mann aus dem Publikum, und da entdeckte Timothy auch die Inschrift neben der Bühne: »Neu! Neu! Neu! Der Nervenkitzel von Chicago! Wer besiegt den Häuptling? Die zwanzig härtesten Kämpfer der Comanchen warten auf Herausforderer. Wer einen von ihnen im Duell besiegt, erhält 1 000 000 Dollar! Heute abend: Häuptling Schwarzer Adler gegen Mister –!«; anstelle des Namens stand nur ein Y.
Die Zuschauer wurden still. Schwarzer Adler zog sein Messer, hob den Arm, richtete die Messerspitze auf seine Brust, ließ die Klinge niedersausen und quer über die Brust reißen, Blut quoll hervor. Timothy hatte unwillkürlich die Augen geschlossen, ein heftiger Schmerz auf dem Rücken schreckte ihn hoch. Smiley blickte Entschuldigung heischend, er hatte in der Aufregung beide Hände gegen die Brust gepreßt. Timothy schien der einzige im Saal gewesen zu sein, der die Augen geschlossen hatte, rundum stierte man zur Bühne. Schwarzer Adler stand auf, zeigte dem Publikum die tiefe, klaffende Schnittwunde. Beifall klang durch den Saal.
Jetzt setzte Y sein Messer an. Timothy ließ sich von dem Wagenrad gleiten, gab Smiley einen Wink und drängelte sich zum Ausgang. Er mußte sich an die Wand lehnen, so übel war ihm. Er schraubte den Griff seines Stocks ab und goß den Becher voll Whisky. Kurz darauf kam Smiley.
»Es ist nicht Puissant«, erklärte er. »Mister Y ist ohnmächtig geworden, und als er umkippte, verrutschte die Indianerhaube; ihm fehlt kein Ohr. Wohin jetzt?«
»Für heute ist mein Bedarf gedeckt«, antwortete Timothy. »Tu mir
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