Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
neulich so ’n Ding gesehen. ’Die drei Musketiere auf Alpha Centauri‹. Schrecklicher Mist.«
»Ich glaube kaum, daß er das geschrieben hat.« Timothy lachte, daß sein Bauch hopste. »Dumas ist seit zweihundert Jahren tot, damals gab es noch nicht mal Kino.«
»Aber ich habe den hier vor noch gar nicht so langer Zeit gesehen«, beharrte Smiley. »Vielleicht im Video? Laß mich mal nachdenken.«
Timothy bereitete inzwischen einen Mokka.
»Na klar!« rief Smiley plötzlich. »Das ist der Erfinder des Kaugummis. Aber hieß der nicht Higley oder so ähnlich?«
Timothy fragte Napoleon. Der Mann, den Napoleon als Jeremias Wrigley, Erfinder des Kaugummis, auf seinem Bildschirm zeigte, hatte tatsächlich eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Foto von Jacques Puissant; es war ein Porträt von Alexandre Dumas, wie Timothy sich und Smiley anhand einer bibliophilen Ausgabe der »Drei Musketiere« überzeugte.
»Armer Dumas«, seufzte Timothy, »das hätte selbst deine Phantasie nicht aushecken können, daß du eines Tages so in die Geschichte der Vereinigten Staaten eingehst.«
»Laß dich bloß nicht erwischen!« Smiley schüttelte mißbilligend den Kopf. »Oder hast du ’ne Büchergenehmigung?«
»Wieso, habe ich Bücher?« Timothy stellte den Roman zurück und ließ die Klappe des Wandschranks zugleiten. Smiley untersuchte die Wand, während Timothy den Mokka eingoß, konnte aber den Schrank nicht entdecken.
»Also, was ist mit diesem Wrigley?«
»Puissant«, korrigierte Timothy, »Jacques Puissant. Er ist der Leibkoch von Henry Ford dem Sechsten, ein gastronomisches Genie und ein besessener Spieler. Henry Six hat ihm in Fordsville einen Spielsalon eingerichtet und ein halbes Dutzend der gerissensten Spieler engagiert, Puissant soll sogar einen eigenen Computer haben, mit dem er spielen kann, aber auch das hilft nichts, alle paar Jahre verschwindet er trotz automatischer Überwachung und Leibgarde auf einen Spieltrip, und Henry Six steht dann tausend Ängste aus, ob er seinen Koch wiedersehen wird. Glover, der Chef der FORD-Polizei, hat mich gestern abend besucht und um diskrete Hilfe gebeten. Henry Six hat eine halbe Million als Belohnung ausgesetzt, Glover will sie mit mir teilen, wenn ich ihm helfe.«
»Warum wollen nicht wir beide uns die halbe Million teilen?«
»Weil wir gar nicht wissen dürfen, daß Puissant verschwunden ist. Top secret. Was glaubst du, was los wäre, wenn das publik würde? Zwei Dutzend Polizeien wären hinter ihm her. Puissant ist der letzte Koch in den Staaten, der noch drüben in Europa ausgebildet wurde, außerdem hat er sich jahrelang in Asien herumgetrieben. Jeder Big-Boß wäre glücklich, wenn er Puissant hätte.«
»Ist er auf ein Spiel besonders scharf? In Chicago gibt es schließlich Tausende von Möglichkeiten für Glücksspiele.«
»Das ist das Problem. Er sucht Nervenkitzel als Ausgleich für seine diffizile Arbeit, was heißt Arbeit, für seine Kunst!«
Timothy schnalzte mit der Zunge. »Ich kenne ihn leider nicht persönlich und weiß zuwenig über seine jetzige Verfassung. Als er das letzte Mal verschwunden war, hat man ihn beim Plotto gefunden; er wollte gerade seinen linken Fuß einsetzen. Ein andermal entdeckte man ihn beim Rattenrennen in den Underslums. Ich bin sicher, wo wir ihn nicht finden können: in den Spielhöllen und Salons der FORD FOUNDATION, damit scheiden schon über ein Viertel aller Etablissements in Chicago aus. Ich glaube überhaupt nicht, daß er in einen der Spielpaläste geht; dort wimmelt es von Polizisten; er riskierte, schnell wieder eingefangen zu werden. Im Ernstfall helfen sich doch die Polizeien untereinander. Am ehesten finden wir ihn wohl in den exklusiven Kasinos der oberen Zehntausend, wo keine Polizei zugelassen ist, oder in den öffentlichen Spielparks, wo Puissant in der Anonymität der Menge untertauchen kann.«
»Und ausgerechnet da willst du ihn finden? Wenn dieser Mann gerissen genug war, seiner Leibgarde zu entwischen, ist er auch schlau genug, sein Aussehen radikal zu verändern. Wie willst du ihn dann erkennen?«
»Erstens an seinem Bauch, den er nicht verbergen kann, zweitens an seinem Riechkolben, selbst wenn er die Röte überschminkt, drittens an seinem Schnurrbart –«
»Den kann er sich abnehmen.«
»Wird er nicht. Puissant verdeckt damit ein paar Warzen auf der Oberlippe, er ist eitel. Außerdem hat er auf dem linken Unterarm eine Tätowierung, einen Drachen, und ihm fehlt das rechte Ohr. Er hat es vor
Weitere Kostenlose Bücher