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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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Klinke.
    »Wenn Sie nichts Vertrauliches mit mir besprechen wollen, würde ich den Wohnraum vorziehen; er ist gemütlicher.«
    »Gehen wir in die Küche«, schlug Devlin vor, »ich möchte gerne einmal zusehen, wie ein so berühmter Koch ein Essen vorbereitet.«
    »Da hätten Sie sich einen günstigeren Tag aussuchen sollen. Einen Hecht zu kochen ist kein Kunststück: säubern, säuern, salzen, eine Zwiebel und Wurzelwerk ins Wasser, kochen. Dann die Soße. Ich bevorzuge eine kaum angedickte Soße aus einem Drittel Fischwasser, den zerriebenen und passierten Wurzeln, Petersilie und zwei Dritteln Butter, ein allerdings kostspieliges Vergnügen, da das mit synthetischer Butter nicht geht.« Timothy hatte, während er sprach, die Fischstücke aus dem Bad genommen und gesalzen und legte sie jetzt in das siedende Wasser.
    »Kochen Sie Flossen und Kopf mit?« erkundigte sich Devlin. »Man merkt, Sie sind kein Fischesser. Das gibt erst den richtigen Geschmack. Wenn ich habe, tue ich noch ein paar Muscheln und frische Algen in das Kochwasser.«
    »Ich wundere mich, daß ein Feinschmecker wie Sie so oft Fisch ißt«, sagte Devlin leichthin.
    Timothy registrierte, wie Devlin ihn aus den Augenwinkeln belauerte.
    »Daran sind Sie schuld. Fisch ist das einzige, was ich seit Ihrer famosen Kur noch herunterbekomme, ohne kotzen zu müssen. Haben Sie es mit Absicht ausgespart?«
    »Sicher nur, weil selbst unser Etat begrenzt ist.«
    »Meiner leider auch«, knurrte Timothy. »Und ich kann nicht absehen, wann ich wieder arbeitsfähig sein werde.«
    Devlin gab sich bekümmert. »Ich hoffe doch, Mister Truckle, Sie haben keinen bleibenden Schaden erlitten.«
    »Das hoffe ich auch!«
    »Es tut mir leid – ich habe zu spät mitbekommen, was mit Ihnen los war; ich dachte, es sei nur Halsstarrigkeit oder daß Sie tatsächlich etwas zu verbergen hätten.«
    »Sie waren halsstarrig, Devlin, Sie! Sie hätten nicht so verbohrt auf dem Wort Bruder herumreiten sollen; damit haben Sie ein Kindheitstrauma mobilisiert.«
    »Davon hatte ich keine Ahnung, wirklich.«
    »Und ich habe immer gefürchtet, die NSA wisse alles!« Timothy lüftete kurz den Deckel des Kochtopfs; das gab ihm Gelegenheit, sein Grinsen zu unterdrücken. »Ich hatte einen Bruder. Er ist als Kind gestorben. Ich hatte gehofft, in ihm endlich einen Spielkameraden zu haben. Niemand wollte mit mir Zwerg spielen.«
    »Das also war es«, sagte Devlin befriedigt.
    »Das und Ihr autoritäres Gehabe. Sie sollten sich mit der Psychologie der Zwerge beschäftigen, Mister Devlin, wir haben ein extremes Empfinden für Würde. Ich bin geradezu allergisch gegen jede Form von Gewaltandrohung und zugleich überaus ängstlich; ich verkrampfe mich sofort. Denken kann ich nur, wenn ich völlig entspannt bin. Wenn Sie wüßten, welch einen Aufwand ich treiben muß –«, Timothy seufzte, »und es scheint mit den Jahren immer schlimmer zu werden.«
    »Daß ich das nicht gewußt habe!« rief Devlin ärgerlich. Es klang, als nähme er sich vor, dem verantwortlichen Rechercheur die Hölle heiß zu machen.
    »Es hätte unser Gespräch um vieles erleichtert«, sagte Timothy, »uns beiden. Ich habe ja jetzt genug Zeit, darüber nachzudenken. Es war Ihr Fehler. Sie wollten mich brechen, statt zu biegen. Ich war im Prinzip bereit, Ihre Fragen nach bestem Wissen zu beantworten.«
    »Ich kann nur hoffen, daß Sie sich nicht allzu gut an unsere – Gespräche erinnern.«
    »Leider setzt meine Erinnerung sehr früh aus. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was ich all die Zeit getan haben soll, und ich muß gestehen, das beunruhigt mich.«
    »Kein Grund zur Beunruhigung. Haben Sie auch über mein Angebot nachgedacht, mit uns zusammenzuarbeiten?«
    »Besuchen Sie mich deshalb?«
    Devlin lächelte verlegen. »Nicht nur deswegen, aber–«
    »Sie hätten keinen Nutzen davon«, sagte Timothy, »und ich nur Schaden. Meine Klienten würden sich nie mit einem Detektiv einlassen, der für die NSA arbeitet, und auf die Dauer bliebe das doch nicht geheim.«
    »Ja, ja.« Devlin schnaufte verächtlich. »Wir sind gut genug, diesen Herren die goldenen Sessel zu beschützen, aber sie behandeln uns, als seien wir der letzte Dreck!« Er sah Timothy in die Augen. »Haben Sie sich über mich beschwert?«
    Bist du deshalb gekommen? dachte Timothy. Er schüttelte den Kopf. »Ich habe mich verpflichtet zu schweigen, und ich habe auch wenig Lust, über unsere gemeinsamen Stunden zu plaudern – allerdings, wenn Sie mich nicht in Ruhe

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