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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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eine freundliche Frauenstimme. »Bitte wenden Sie sich zur roten Wand, einen Moment bitte, danke. Und nun zur blauen Wand, einen Moment bitte –«
    Auch die Fahrstuhltür wurde durch Handauflegen geöffnet. »Sind die Türen auf Körperwellen programmiert, oder benutzen Sie einen Documenter?« erkundigte sich Timothy.
    Der Safeman zeigte das Plastplättchen, das in seiner Innenhand klebte. »Haben nur wir. Selbst die Mieter kommen nicht ohne uns ’rein oder ’raus.«
    Maggy Stahlheimer wartete im Vorraum ihres Appartements. »Oh, Tiny«, sagte sie überglücklich, »daß du gekommen bist! Ich weiß doch, wie du –«
    »Bei einem Freund muß man auch mal eine Ausnahme machen«, brummte Timothy. Er drehte sich zu dem Safeman um. »Danke schön, Sie können gehen.«
    »Die Quittung«, erinnerte der. »Nummer siebenhundertdreiundvierzig.«
    Maggy Stahlheimer drückte die Ruftaste des Communicators. »Nummer siebenvierdrei hat den Besucher abgeliefert.«
    »Zwanzig Uhr dreizehn, siebenundzwanzig«, ergänzte die Stimme der automatischen Zeitansage. Der Safeman legte die Hand an den Helm und verschwand.
    3.
    John F. Stahlheimer schien zu schlafen. Er atmete ruhig und gleichmäßig. Die Kontrolltafel am Kopfende des Krankensessels zeigte eine nahezu perfekte Übereinstimmung zwischen den berechneten Idealkurven und den realen Werten. Aus dem Mundwinkel kroch ein dünner Speichelfaden. Maggy Stahlheimer bat die Pflegerin, sie allein zu lassen. Sie nahm ein Tuch aus dem Korb an der Armlehne und wischte den Speichel fort.
    »Schluck, John«, sagte sie leise, und der Kranke schluckte. »Leg deinen Kopf gerade. Öffne die Augen. Wir haben Besuch. Erkennst du ihn?«
    »Ja, ich erkenne ihn«, antwortete Stahlheimer laut und deutlich.
    »Wer ist es, John?«
    Keine Antwort. Timothy beugte sich zu ihm hinunter. »Erkennst du mich, Johnny? Ich bin es, Timothy.«
    »Ja, du bist es.«
    Timothy trat einen Schritt zur Seite. Stahlheimers Blick folgte ihm nicht. »Johnny!« schrie Timothy und ließ seine Hände vorschnellen, bis die Fingerkuppen nur noch wenige Millimeter vor Stahlheimers Augen waren. Die Lider schlossen sich nicht.
    Stahlheimer hatte nicht für den Bruchteil einer Sekunde gezuckt oder den Kopf bewegt. Timothy zog Maggy hinaus.
    »Die Ärzte wissen nicht, was es ist«, erklärte sie. »Er sitzt da, stiert vor sich hin, rührt keinen Finger, sagt kein Wort. Wenn man ihn fragt, antwortet er, und wenn man ihm etwas sagt, tut er es. Aber nichts von selbst. Nichts!«
    »Seit wann?«
    »Seit acht Wochen. Er wurde von den besten Ärzten untersucht. Heute habe ich ihn aus der ’Mayo-Klinik‹ geholt. Einer der Ärzte meinte, es gäbe vielleicht eine Chance, eine winzige, wenn man herausbekommen könne, was John getan hat, bevor dieser Schock einsetzte.«
    »Hat er das Gedächtnis verloren?«
    »Nein. Kollegen aus seinem Institut haben ihn getestet, er kann die kompliziertesten Fragen beantworten. Er weiß alles. Aber er reagiert nur noch, wenn man es ihm sagt. – Einmal habe ich ihm drei Tage lang nichts zu essen geben dürfen. Die Ärzte hofften, das würde vielleicht den Schock lösen; der Körper würde sich gegen die Blockade zur Wehr setzen.« Sie schluchzte. »Er wäre verhungert, Tiny! Du weißt doch, wie gerne er Heidelbeertorte ißt. Sie hat vor ihm auf dem Tisch gestanden, aber er hat sie nicht angerührt. Erst als ich ihn fragte, ob er nicht Hunger habe, sagte er ja. Dann mußte ich ihm jeden Bissen in den Mund befehlen. Mach den Mund auf, John. Kau, John. Schluck, John. Er ist wie ein kleines Kind, nein, er macht sich nicht einmal in die Hose, wenn man vergißt, ihn zur Toilette zu bringen. Er ist wie – wie ein Automat!«
    Timothy nahm ihre Hand und streichelte sie.
    »Nebenan wartet Professor Lexington, Johns Chef im Institut. Ich dachte, du würdest ihn sprechen wollen.«
    »Und ob«, knurrte Timothy, »und ob!«
    »Hallo«, sagte Lexington, als hätten sie sich erst gestern gesehen. »Scheußlich, nicht wahr?«
    »Sehr scheußlich.« Timothy sah ihm fest in die Augen. »Ist das bei Ihnen passiert, Professor?«
    »Nein, nicht bei uns.«
    »Ich würde es herausbekommen.«
    Lexington nickte. »Ich erinnere mich an Ihre Hartnäckigkeit, Mister Truckle. Doch in diesem Fall sind wir Verbündete. Sie sollen alle Hilfe bekommen, jede Information; soweit es diese Untersuchung betrifft, natürlich. Sie wissen, ich bin an die Sicherheitsbestimmungen gebunden, wir arbeiten schließlich in einem staatlichen

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