Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
Diebeswerkzeug, aber auch ein Blasrohr mit vergifteten Pfeilen, eine Flasche, die aussah, als enthielte sie nur klares Wasser, die aber, wie Hanks versicherte, beim Öffnen eine Gaswolke ausstoßen würde, mit der man drei Etagen ausräuchern könnte – sieben lange Reihen gläserner Vitrinen, und die achte war bereits angefangen. Timothy ließ sich Zeit beim Studium der Exponate, las sorgfältig die Beschriftungen und nickte immer wieder; Hanks folgte ihm mit stolzgeschwellter Brust.
»Nun?« fragte er, als sie den Rundgang beendet hatten.
»Beachtlich, sehr beachtlich«, lobte Timothy. »Doch was soll dieses merkwürdige Sammelsurium?« Er trat an eine Vitrine in der Ecke.
Da lagen Gebisse neben einem Infrarotauge und zwei Bällen aus Iridium, ein mit Brillantsplittern besetztes Nachtsichtgerät von »Tiffany« neben einem »Ohrwurm«, einem der billigen Sprechfunkgeräte, wie sie in den Warenhäusern verramscht wurden, goldene Ringe neben Spielzeugpistolen, ein Hufeisen, eine Armprothese, Smogmasken aller Art, Materialproben, Konserven, verbogene Münzen –
»Das ist unsere Ramschvitrine«, erklärte Hanks. »Es sind eigentlich nur Fundsachen, doch solche, die uns auf die eine oder andere Art Mühe gemacht haben oder die unter merkwürdigen Umständen gefunden wurden. Diese Münze zum Beispiel –«
Timothy bedankte sich schnell für die Führung durch das »Texas«-Museum und bat Hanks, den Safeman zu rufen, der Stahlheimer gefunden hatte.
»Zuerst dachte ich, er sei mit den Bedropten gekommen«, berichtete der. »Er machte genau den Eindruck von einem, der irgend so ’n Zeug geschluckt hat. Ich hab’n durchsucht, da fand ich seinen Documenter. Na, hab’ ich in der Zentrale nach ’m Namen und der Wohnungsnummer gefragt und hab’ durchrufen lassen; seine Frau hat schon geschlafen.«
»Laut der automatischen Registratur wurde die Appartementtür an jenem Tag nur zweimal geöffnet«, schaltete sich Hanks ein, »einmal, als Stahlheimer früh ging, das zweite Mal, als Lebensmittel gebracht wurden.« Er winkte seinem Mann zu.
»Na, ich hab’ gefragt, ob ich den Alten runterbringen soll oder ob sie ’n sich selbst holt. Nee, ich soll ’n bringen. Aber er hat sich nicht gerührt, nicht mal die Augen aufgemacht. Da hab’ ich ’n mir über die Schulter legen lassen und hab ’n nach unten gebracht; bis in sein Bett. Mehr weiß ich nicht.«
»Haben Sie mit ihm gesprochen?«
»Mit dem? Das hätt’ doch keinen Sinn gehabt, das konnte man ja auf den ersten Blick sehen.«
5.
Smiley Hepburn meldete sich, als Timothy gerade frühstückte. »Du führst ein Leben«, knurrte er, »bis Mittag im Bett, und in was für einem, während unsereiner sich die Hacken schieflaufen muß. Was ist los? Brauchst du wieder mal Hilfe? Hoffentlich nicht sofort, ich habe gerade –«
»Vergiß es«, fiel Timothy ihm ins Wort. »Ich habe dich bereits bei Professor Lexington und der Polizei avisiert. Putz deine berühmte Nase, noch nie hatte ich sie so nötig wie diesmal. Ich will einem Freund helfen, aber ich habe keine Ahnung, wonach wir suchen müssen.«
Nach dem Frühstück rief Timothy bei Doktor Selbrik an. Selbrik erwies sich als ein korpulenter Mittvierziger. Eitelkeit schien nicht seine Schwäche zu sein; er trug einen Pullover in verwaschenem Grau und zeigte ungeniert seine Halbglatze.
»Sie sind der letzte, der vor dem Unfall mit John F. Stahlheimer gesprochen hat«, begann Timothy, »und Sie haben am nächsten Tag bei ihm angerufen und sich nach seinem Befinden erkundigt. Warum? Hatten Sie Grund zu der Annahme, daß es ihm nicht gut gehen könnte?«
»Ich will nicht drum rumreden«, antwortete Selbrik. »Ich hatte ein schlechtes Gewissen; jetzt natürlich noch mehr. Ich hätte ihn nicht gehen lassen sollen.«
»Wieso, war er im Rausch?«
»Stahlheimer nicht, ich.« Selbrik machte den linken Unterarm frei und zeigte den goldfarbenen Streifen, der sich über der Vene hinzog. »Ich bin ein ’Hollylove‹-Fixer, vielmehr, ich war es. Seit ich weiß, was Stahlheimer zugestoßen ist, mache ich eine Entziehungskur, und ich werde das Zeug nie wieder anrühren.« Er schluckte. »Wenn ich an jenem Abend nicht so voll gewesen wäre, hätte ich darauf bestanden, daß Stahlheimer sich ein Taxi nahm, und nie zugelassen, daß er zu Fuß ging.«
»Zu Fuß?« fragte Timothy, als wüßte er es nicht längst.
»Es war Wahnsinn. Aber Stahlheimer sagte, er mache jeden Abend einen Spaziergang, er kenne die Gegend wie seine
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