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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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Kein Mensch weiß, von wem. Stehen ja nur die Dats drauf. Dann wird’s befruchtet. Manchmal wird vorher schon dran gedreht, meistens aber erst danach. Dann liegt’s vier Wochen im Brutkasten, und wenn’s was Interessantes verspricht, wird’s dann eingebettet.«
    »Eingebettet?«
    »Klar! Geht doch noch nicht künstlich. Also bekommt’s eine von den Tragfrauen eingebettet, bis es ausgereift ist und geboren wird. Aber ’ne Tragfrau ist keine Mutter nich. Ich meine, es ist ja nich ihr Kind, oder? Und sie sieht es ja auch nie, Gott sei Dank. Die meisten möchten ’n Schock kriegen, wenn sie sehen, was sie da ausgetragen haben.« Er hielt seine Tasse hin. Timothy goß ein. Für sich einen großen Whisky. Es war noch viel zu früh für Whisky, aber jetzt brauchte er einen. Wenn das so weitergeht, dachte er, werde ich über diesem Fall noch zum Säufer.
    »Die meisten sterben ja gleich wieder«, fuhr Nurse fort. »Oder sie werden annulliert. Viel Ausschuß. Ich hab’ lange auf Station eins gearbeitet, ich kenn’ mich aus. Solange man noch nicht genau weiß, wie das mit der Mutation funktioniert, braucht man eben viel Material, ist doch klar.«
    »Sammy war also ein Zufallstreffer?«
    »Und ob! Ich meine, mir sagt ja keiner was, aber so doof, wie die Eierköppe mich halten, bin ich nicht. Seit seiner Geburt versuchen sie, es zu wiederholen. Aber sie schaffen’s nicht. Nie werden sie’s schaffen, nie! Ich sage Ihnen, Mister, der Herr läßt sich nicht in seine Karten gucken. Sie können mal aus Versehen ’n Trumpf erwischen, mehr nicht. Sammy ist einmalig.« Er sah Timothy mit strahlenden Augen an. Dann winkte er zu dem wandgroßen Porträt. »Sie mögen ihn auch, was?«
    »Er wirkt sehr sympathisch. Was hat ein Nurse zu tun?«
    »Na, für seinen Schützling zu sorgen. Wenn die Mutas klein sind, ist da viel Arbeit, saubermachen, anziehen, füttern, für die Sachen sorgen, auch mal spielen; ich mein’, so ’n Muta hat ja ’ne Menge Leute, die sich um ihn kümmern, Lehrer, Erzieher, Dispos und so, aber der Wichtigste ist und bleibt der Nurse, oder? Auch wenn sie dann größer werden. Ist dann so ’ne Art Butler, wenn Sie wissen, was ich meine, Mister.«
    »Ich glaube schon.«
    »Wir haben uns schnell angefreundet, Sammy und ich. Vielleicht hat er gemerkt, daß er mir leid tat. Aber ist auch nicht schwer. Ich sage Ihnen, Mister, so ’n Muta ist was von anhänglich, na, Kunststück, wo unsereins ihm schließlich Vater und Mutter ersetzen muß. Und was hat so ’n Wesen schon vom Leben? Nehmen Sie Sammy: acht Stunden Schlaf, aber selbst da muß er noch lernen, eine Stunde Hygiene, vier Stunden Körperertüchtigung, sechs Stunden lernen, vier Stunden technisches Training, bleibt eine Stunde Freizeit. Und das seit seinem fünften Lebensjahr.«
    »Und das Essen?« fragte Timothy.
    Nurse winkte ab. »Wollen Sie das essen nennen? Sammy schlingt sein Zeug ’runter und fertig. Ist ihm doch egal – ach ja, können Sie ja nicht wissen. Hat doch keine Geschmacksnerven. Sie können ihm vorsetzen, was sie wollen, schmeckt ihm alles gleich, nämlich nach gar nichts. Den Eierköppen ist’s recht. Braucht er nicht soviel Zeit für Nebensachen, haben sie gesagt. Riechen kann er ja auch so gut wie nichts, und sein Tastsinn – Sie, Mister, einmal hab’ ich ihn erwischt, wie er die Finger ins Feuer hielt, er wollte sehen, wann er es fühlt. Die Haut war schon angekohlt. Klar, die Eierköppe sind zufrieden. Ist er nicht so empfindlich, sagen die. Mit irgendwas muß man den Fortschritt immer bezahlen, oder?«
    Timothy zuckte mit den Schultern.
    »Wenn Sie irgendwo was dazutun, Mister, fällt woanders was weg. Ist immer so. Die zweiten Arme und seinen Grips bezahlt Sammy eben auf diese Art. Aber er ist dabei zufrieden. Er weiß es ja auch nicht anders. Die Eierköppe sagen ihm immer nur, was wunder Besonderes er ist. Ist er ja auch auf seine Art.«
    »Hat Sammy wirklich keine Gefühle?«
    »Ja, Mister, ehrlich, ich weiß es nicht.«
    »Wenn Sie es nicht wissen, Nurse, wer dann?«
    »Das hängt wohl alles zusammen, ich meine, wo er doch nicht schmecken und riechen und tasten kann, andererseits, ich meine, irgendwo ist jeder ein Geschöpf des Herrn, wie sehr sie auch an ihm herumgedoktert haben mögen. Und ich lass’ mir nicht ausreden, auch Mutas haben ’ne Seele; Sammy bestimmt. Und wer ’ne Seele hat, der muß auch fühlen können, irgendwo. Vielleicht kann er’s nur nicht so zeigen? Sie haben ihn doch von klein an drauf

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