Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
gedrillt, keimfreie Erziehung und so, keine personellen Bindungen, deshalb haben sie ja auch immer wieder den Nurse gewechselt. Einmal dacht’ ich schon –«
Nurse lehnte sich zurück und betrachtete Baxters Bild.
»Was war da?«
»Ach, nichts.«
Timothy ging in die Küche und holte zwei Päckchen Tee. »Damit wir es nachher nicht vergessen.«
»Danke, Mister, vielen Dank.«
»Also«, forderte Timothy auf, »reden Sie schon, Nurse.«
»Vielleicht war’s ja auch gar nichts, und es ist schon Jahre her.«
»Ich möchte es trotzdem wissen.«
»Aber Sie dürfen’s keinem erzählen, okay?«
Timothy versprach es, er schwor es sogar.
»Das war so: Sammy hat mir leid getan, nur Technik und Wissenschaft und Sport und so. Ich frage Sie, Mister, ist das richtig? Ich meine, ’n Mensch muß noch was anderes haben, was Höheres, das über ihm steht. Na, da hab’ ich ihm eines Tages von Gott erzählt, aus’m Neuen Testament, was ich noch so wußte. Er konnt’ gar nicht genug hören. Da hab’ ich ihm abends was vorgelesen, heimlich natürlich, weil wir den Mutas doch keine Informationen nicht geben dürfen, die nicht durch’n Computer laufen. Aber ich frage Sie, Mister, ist der liebe Gott ’ne Faktengruppe? Trotzdem, Sammy wußte, daß er nichts weitererzählen durfte. Und eines Tages hab’ ich ihm sogar Patricks Prophezeiung vorgelesen. Nicht, daß ich ’n Patrick-Anhänger bin, ganz im Gegenteil, aber ich dacht’, das wär’ das richtige für Sammy. Sie kennen doch Patrick?«
Timothy nickte, obwohl er keinen blassen Schimmer hatte. Aber er wollte auf keinen Fall Nurse unterbrechen. Der grinste verlegen.
»Aber sollt’ ich dem armen Sammy nicht ’n bißchen Trost gönnen? Er wußte doch, daß er den ’Rightmen‹ 7 , wie er immer sagte, unheimlich war, wenn sie ihn nicht sogar verabscheuten. Als er nu wieder mal davon sprach – und wie er davon sprach, Mister! –, so sachlich, als müßt’ es so sein, und da war er erst dreizehn! Na, da hab’ ich ihm Patricks vorgelesen, und da, Mister, hatt’ ich so was wie ’n Gefühl gemerkt, er nahm meine Hand und drückte sie, aber dann haben sie mich ja auch bald versetzt.«
»Ist Sammy wirklich so intelligent?«
»Und ob! Der denkt schneller als jeder andere. Schach wollt’ keiner mehr mit ihm spielen; sogar der Computer hat verloren, na, nicht verloren, aber nur ’n Unentschieden geschafft, und das ist gegen ’n Computer doch so gut wie gewonnen, oder? Und ein Gedächtnis hat er! So ’n Gedächtnis, sagt der Chef, hat’s noch nie gegeben. Hoffentlich ist ihm nichts zugestoßen. Wissen Sie nicht, was passiert ist? Mir sagt ja keiner was.«
»Ich weiß es auch nicht, noch niemand. Aber wir finden ihn bestimmt bald. Unversehrt. Hatte Sammy ein Hobby? Was machte er in der Freistunde?«
»Meistens hat er vorm Bildschirm gesessen und sich technische Sendungen angesehen, er war doch ehrgeizig, was, wollt’ immer noch mehr schaffen, als sie ihm aufgegeben haben. Einmal hat er sich ja Tiere gehalten, aber auch nur für Experimente.« Nurse machte ein Gesicht, als erinnere er sich nicht gerne daran. »Aber woher sollte er auch Ehrfurcht vor der Kreatur herhaben? Gerade er.«
»Wie war sein Tagesablauf? Oder nachts, träumte er? Was?« Da klingelte es. Der Sergeant stand in der Tür.
»Die Stunde ist um.«
Timothy versuchte vergeblich, noch ein bißchen Zeit herauszuschinden.
»Schade«, sagte Nurse. »War richtig nett bei Ihnen, Mister. Hoffentlich finden Sie Sammy bald. Sie tun alles für ihn, nicht wahr? Sie sind sein Freund, das spür’ ich.«
Er steckte die beiden Päckchen Tee ein und ging hinaus.
6.
»Was weißt du über Monster?« fragte Timothy Napoleon.
+ + was ist »monster«? + n. + + +, tickte Napoleon zurück.
»Dummkopf«, brummte Timothy. »Weißt du wenigstens was über Religion? Kennst du das Neue Testament und das Alte Testament, und kennst du Patrick?«
+ + altes testament: ja + neues testament: ja + patrick: ja + n. + + +
»Wer war dieser Patrick?«
+ + evangelist in detroit ausgang des 20. jahrhunderts, eigentlich automobilarbeiter + sekte bis ins vorige jahrzehnt nachgewiesen + zeichen: kreuz mit doppelbalken + n. +++
»Und wie heißt seine Prophezeiung?«
+ + keine ahnung + n. + + +
»Dann wird es Zeit, daß du etwas für unsere Bildung tust«, sagte Timothy. »Bestell sofort Patricks Prophezeiung bei der Zentralinformation.«
Er schluckte zwei Rosaperlen und legte sich hin, doch er konnte nicht einschlafen. Nicht,
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