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Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Titel: Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schon tot. Von den Dämonen gefangene Seelen.«
    »Und sie werden auch nicht wiederkommen«, sagte Bäcker leise. »Sie werden uns nicht berühren. Sie werden von uns keine Nachricht geben. In ihren Booten wird nie ein Platz für uns sein. Diese Toteninseln werden von den Stämmen geheimgehalten. – Stimmt's, Shirley?«
    »Genau. Wir sind lebende Leichname geworden. Ein ekelhafter Gedanke. Zum Teufel, wir sollten alles versuchen, so schnell wie möglich von hier wegzukommen.«
    Er sah Anne an. Sie war fahl unter der Bräune ihrer Haut geworden. Eine schmutzige, graue Blässe des Entsetzens. In ihren großen braunen Augen stand die Verzweiflung.
    »Warum fallen Sie nicht um?« fragte er. »Werden Sie ohnmächtig! Das würde uns den Abtransport der Leiche erheblich erleichtern.«
    »Werden wir jetzt auch die Lepra bekommen?« fragte sie kaum hörbar.
    »Nur durch direkten Kontakt.«
    »Sie haben die Tote angefaßt, Shirley. Sie haben ihr die Haare vom Gesicht gezogen.«
    »Das liegt mir auch verdammt schwer auf dem Herzen, Anne.«
    »Und du hast sie auch angefaßt!« schrie sie auf und wich von Bäcker zurück.
    Er nickte verbittert, bückte sich und rieb die Hände über den pulverfeinen Sand. Shirley lachte rauh.
    »Wenn das so einfach wäre, sollte man in allen Leprastationen Scheuerpulver verteilen. Sie ahnen gar nicht, Bäcker, wie durstig Hautporen sind, wenn es darum geht, Krankheitskeime aufzusaugen.«
    Bäcker richtete sich auf. Man konnte unter dem Gittertuch seine Augen nicht sehen, aber man sah seine verkrusteten Lippen, und die zuckten deutlich.
    »Begraben wir sie endlich«, sagte er wie mit verrosteter Kehle.
    »Auch das noch! Grube schaufeln, ein Gebet sprechen, immer schön um die Leiche versammelt, tief einatmen. Nein, wir rollen sie mit Knüppeln ins Meer. Ich weiß nicht, ob Haie auch Lepra kriegen können, aber ich gönne sie ihnen.«
    »Geh in den Wald, Anne«, sagte Bäcker, als Shirley nach einigen Minuten mit vier dicken Ästen unter dem Arm vom Hang zurückkam. »Es ist kein schöner Anblick für dich.«
    »Ich helfe mit –«, sagte sie.
    »Anne!«
    »Sie war eine Frau –«
    »Da machen Sie gar nichts, Werner«, schrie Shirley. Er schob seinen Ast unter die Schulter der Toten und zeigte auf den Körper. »Nehmen Sie die Mitte, Anne die Beine. Habe ich Ihnen nicht vorher gesagt: Mrs. Perkins hat Nerven wie Stahlseile? Los! Fangen wir an!«
    Es war eine traurige, abstoßende Arbeit, den schönen Körper mit den Ästen bis zum Meer zu stoßen. Er rollte durch den pulverfeinen Sand, hinterließ dort eine breite Spur, und als die Haare wegflatterten und das Gesicht freigaben, schrie Anne leise auf und schloß vor Entsetzen die Augen.
    Als die Tote endlich im seichten Uferwasser lag, schüttelte Shirley den Kopf.
    »Wir sind Idioten!« sagte er. »Was soll das alles? Jetzt liegt sie hier herum, wo keine Strömung ist, und die nächste größere Flut spült sie wieder an Land. Wir sollten sie von dem Felsen ins tiefe Wasser werfen.«
    »Aber dazu müßten wir sie anfassen, Shirley.«
    »Ich melde mich freiwillig. Ich trage sie auf die Klippen. Und dann lege ich mich so lange in Salzwasser, bis meine Haut gepökelt ist. Halt! Sie haben doch Salmiakgeist in Ihrer Bordapotheke, Werner?«
    »Eine kleine Flasche, ja.«
    »Das ist ausgezeichnet! Dann werde ich meine Hände anschließend in Salmiak waschen! Das ist besser als Alkohol.« Er bückte sich, zog die Tote an den Beinen aus dem seichten Wasser und schleifte sie an Land.
    »Wenn Sie die Schultern packen, trage ich sie an den Beinen«, sagte Bäcker.
    »Sie machen gar nichts!« brüllte Shirley. »Sie bleiben bei Anne!«
    »Shirley, ich glaube, Sie halten mich noch immer für einen Mutkrüppel! Reden Sie nicht – packen Sie an!«
    Sie hoben die Tote hoch und marschierten zu dem langen Felsen, der die Insel teilte. Der Aufstieg über die von Vogelkot bedeckten glitschigen Klippen war fast ein Balancekunststück. Shirley ging voran, Bäcker hinterher. Und zwischen ihnen war die Leiche, die von unzähligen kreischenden Vögeln umschwirrt wurde. Als sie einen Felsvorsprung erklettert hatten, der steil ins Meer abfiel, hielten sie einen Augenblick inne, um Atem zu schöpfen. Hier rauschte die Brandung, die Wellen gischteten, überschlugen sich und sprudelten um unsichtbare Klippen. Shirley nickte hinunter.
    Das Meer schäumte. »Genauso war's, als wir Yul Perkins fanden. Der Sack mit seinem Körper hatte sich zwischen zwei Felsen verklemmt. Ein

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