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Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Titel: Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kind. Eine andere Welt brauche ich nicht.
    »Daß Sie mich das Kind horchen ließen, Werner«, sagte Shirley rauh. »Das war ein verdammt nobles Geschenk. Ob Sie's glauben oder nicht: Ich habe dadurch Kraft bekommen für zehn Einbäume.«

XVII
    Nach Bäckers Kalender war der 4. Dezember 1965, als das Boot fertig war.
    Anne war nun im fünften Monat, ihr bisher flacher, zarter Leib wölbte sich deutlich, die Brüste waren schwerer geworden, aber sie arbeitete unermüdlich jeden Tag am Stamm mit und wetzte mit scharfkantigen Steinen die Sitzmulde des Bootes glatt.
    Bäckers Augen hatten sich anscheinend an ihre Schutzlosigkeit gewöhnt. Sie tränten und brannten nicht mehr, aber er trug nach wie vor den fürchterlich aussehenden Vorhang aus Shirleys gitterförmigem Unterhemd um den Kopf gebunden.
    Shirleys Vollbart, rot und leuchtend, war, vor allem für ihn selbst, eine wahre Wonne. Jeden Tag spiegelte er sich im klaren Wasser und freute sich darüber.
    »Man weiß gar nicht, welche Schönheiten in einem verborgen sind«, sagte er. »Wenn Betty mich so sähe … ich garantiere für ein viertes Kind!«
    Am Vormittag hatte es geregnet. Gegen elf Uhr setzte die Flut ein, der Wasserspiegel stieg bis auf einen Meter vor dem Einbaum. Das war von Bäcker richtig berechnet worden, denn sie hatten das Boot, durch das Aushöhlen erheblich leichter, mühelos bis ans Meer geschleift und dort abgesetzt, wo die Flut es erreichen würde.
    »Morgen ist Stapellauf!« schrie Shirley und breitete die Arme weit gegen das anrollende Meer aus. »Du Hure von einem Meer – jetzt werden wir dich erobern wie vor tausend Jahren!« Er setzte sich auf den Bootsrand, blickte Bäcker und Anne plötzlich aus blanken Hundeaugen an und heulte los. »Haut mir eine runter!« schluchzte er. »Oder dreht euch um! Ich habe auch das Recht, schlapp zu sein. Werner, ich werde Betty und die Kinder wiedersehen.«
    Die nächste Flut kam am 5. Dezember. Sie erfaßte den Einbaum und hob ihn hoch. Atemlos standen Anne, Bäcker und Shirley daneben, wie zum erstenmal Wasser unter das Boot spülte, wie es auf einer Welle schaukelte, wie das weiter vordringende Meer von ihm Besitz ergriff und es vor sich hertrug wie auf wiegenden Händen.
    »Es schwimmt!« brüllte Shirley und tanzte durch das Wasser. »Es kippt nicht um! Es schwimmt! Wir haben ein Boot, wir haben ein Boot!«
    Er fiel Bäcker um den Hals und küßte dessen vernarbtes, entstelltes Gesicht; er riß Anne an sich und küßte auch sie; dann tobte er durch die anrollenden Wellen, hieb mit den Fäusten ins Meer, trat gegen die Wellenkämme und warf sich schließlich in den Sand, um sich von der nächsten Welle überspülen zu lassen.
    »Wann geht's los?« fragte er, als er sich beruhigt hatte. Sie standen jetzt bis zu den Hüften im Wasser und hielten den Einbaum fest, schoben ihn ein Stück durchs Meer wie Kinder, die mit einem großen Schiffchen spielen. Es zeigte sich, daß Bäcker den Stamm genau berechnet hatte. Der Schwerpunkt war so tief geblieben, daß der Stamm in der Dünung nicht einmal rollte. Wenn man in dem Boot saß, war auch die Bordwand hoch genug. Man konnte sich fast sicher in ihm fühlen.
    »Wer setzt sich zuerst hinein?« fragte Shirley. »Gar keine Frage: Unser Oberhaupt. Werner – paddeln Sie die erste Ehrenrunde!«
    »Nein! Anne soll es tun!«
    Sie hoben Anne lachend in den Einbaum und drückten das Boot dann vor sich her ins Meer. Singend stampften sie bis zur Brust durchs Wasser, schoben Anne am Ufer entlang, und Anne winkte mit beiden Armen hinaus aufs Meer und spürte, wie auch das Kind sich in ihrem Leib wieder regte.
    Doch plötzlich schrie Anne auf und zeigte zur Seite. Zwei dreieckige Flossen schossen heran, drehten dann aber in der Lagune ab, als das Wasser zu seicht wurde.
    Haie.
    »Das war eine deutliche Warnung!« sagte Bäcker.
    Sie zogen den Einbaum mit Anne ans Land. Durch Pflöcke sicherten sie das Boot, damit die Ebbe es nicht mitriß ins offene Meer. Außerdem beschlossen Shirley und Bäcker, bei dem Einbaum zu bleiben und die Nacht neben ihm zu wachen.
    »Wann geht es wirklich los?« fragte Shirley wieder. »Jetzt ist mir jede Minute zuviel auf dieser Mistinsel.«
    »Übermorgen«, sagte Bäcker. »Übermorgen wagen wir es. Ich wollte, ich könnte jetzt beten.«
    Er blickte über das Meer, vor den Augen den schrecklichen Gittervorhang, und Shirley hatte das Gefühl, ihn jetzt allein lassen zu müssen.
    Er ging weg und setzte sich oben an die Böschung, sah sich

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