Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater
wir aus wie Lots Weib! Die Haut wird uns wegbrennen.«
»Dann duschen wir uns ab.« Bäcker lag etwas verkrümmt vorne im Boot. Er hatte das Tuch von seinen lidlosen Augen genommen. Die Kühle der Nacht war eine Wohltat. »Bei jedem Regen werden wir uns ausziehen. Gott wird uns baden.«
Eine Weile war Schweigen. Dann richtete sich Shirley auf und seufzte.
»Ich habe wieder – Werner, gehen Sie nicht gleich wieder in die Luft – ein komisches Gefühl. Haben Sie den Sonnenuntergang gesehen? Herrlich, nicht wahr? Wenn den van Gogh gesehen hätte – er hätte vor Begeisterung sich auch noch das zweite Ohr abgeschnitten. Aber so ein phantastischer Sonnenuntergang ist in Wirklichkeit ein großer Mist. Ich lebe seit dreißig Jahren im Pazifik! So einen Theater-Sonnenuntergang gibt's nur, wenn eine Schönwetterperiode kommt. Das heißt: kein Regen mehr! Bei Ihnen drüben in Europa fängt's jetzt an zu schneien … hier wird es Sommer! Ich sage Ihnen, wenn's morgen und übermorgen nicht regnet, sitzen wir in einem glühenden Ofen.«
XIX
Es regnete nicht.
Vier Tage war es fast windstill. Das Segel hing schlaff am Mast, sie kamen nur voran durch die Paddel und die Strömung. Selbst das Meer war still, dampfte gegen Mittag, formte Blasen aus der Luft. Nur die Haie waren in ständiger Bewegung … kamen sie nahe genug heran, sah man ihre torpedoschnellen Körper dahinschießen.
Sie paddelten bis zur Erschöpfung. Das aufspritzende Wasser trocknete an ihrem Körper und überzog ihn mit einer dünnen Salzschicht. Die Haut juckte erst, dann brannte sie und rötete sich wie geätzt.
Ein paarmal maß Bäcker mit seinem Sextanten die Richtung. Sie trieben von den Atollen ab, trotz Segel, trotz Paddeln … die Strömung unter ihnen war stärker. Am fünften Tage wußten sie, daß sie den Kampf schon verloren hatten. Sie wurden vom Meer in ein Gebiet getragen, das auf der Seekarte weiß war. Ganz am Rande, jetzt 200 Meilen entfernt, verlief die Seeschiffahrtslinie.
»Sagen Sie Anne nichts davon«, sagte Shirley in der sechsten Nacht zu Bäcker. »Aber Sie sind sich hoffentlich darüber klar, daß wir unsere Frist von drei Wochen nicht einhalten können. Um die Vorräte, vor allem das Wasser, für zwei zu strecken, muß der dritte weg.« Er schluckte und sah an Bäcker vorbei ins Meer. »Wir hatten ausgelost, wer es sein würde. Und Sie hatten verloren, Werner.«
»Noch eine Woche, Shirley.« Bäcker warf einen Blick auf Anne. Sie schlief unter der alten Decke. Ihr Leib wölbte sich deutlich, und es war sein Kind, das da wuchs. »Geben Sie mir noch eine Woche Zeit, Paul!« sagte Bäcker heiser. »Ich verspreche Ihnen – dann springe ich über Bord.«
Es regnete zwölf Tage nicht. Der Einbaum trieb über das wie flüssiges Metall glänzende Meer, der Himmel war glühendes Blei, in dem ein flammender Tropfen wanderte – die Sonne. Bäcker, Shirley und Anne verkrochen sich tagsüber unter ihre Decke. Es war unmöglich, ungeschützt in dieser Glut zu hocken. Die Salzschicht an ihren Händen und Armen wurde immer dicker, das Gesicht verkrustete völlig, die Haut brannte, und Bäcker wunderte sich, daß sie nicht schon längst versengt war und das rohe Fleisch unter dem Salz hervorquoll.
Nachts, wenn sich die heiße Luft ein wenig abgekühlt hatte – aber selbst dieser kleine Unterschied zum Tag war wohltuend und in einem geringen Maße erfrischend –, kratzten sie sich gegenseitig die weiße Schicht vom Körper und opferten für jeden zwei Hände voll Wasser, um die Poren notdürftig auszuspülen.
»So gründlich ist noch kein Fisch gepökelt worden«, sagte Shirley sarkastisch. »Wenn wir aus dieser Lake herauskommen, sind wir für die nächsten hundert Jahre konserviert.«
Bäcker hatte es aufgegeben, mit dem Sextanten die Position zu bestimmen. Es hatte keinen Sinn mehr. Immer, wenn er ihren Standort auf der Seekarte suchte, mußte er lügen, um Anne zu beruhigen.
»Wir haben nur noch wenige Meilen vor uns«, sagte er dann. »Eigentlich müßten wir die Atolle schon sehen.«
Anne wußte genau, daß er log, aber sie tat so, als glaube sie ihm. Zweimal ließ sich selbst Shirley täuschen, aber in der neunten Nacht sagte er:
»Jetzt zeigen Sie mir mal auf der Karte, wo wir wirklich sind.«
Anne schlief. Bäcker breitete die Karte aus und legte den Zeigefinger auf einen Fleck Pazifik, wo nichts, aber auch gar nichts mehr war. »Hier, Shirley. Das ist die Wahrheit.«
»Und Sie können sich nicht irren? Von diesem Ding
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