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Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Z. Lewin
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Gesundheitszustand entscheidend
     geändert hatte.
    Aber inwiefern?
    Nach dem 18. August 1954
     waren keine Behandlungstermine mehr eingetragen. Er war am 2o. August
     gestorben, und dieses Datum war unter der letzten Eintragung vermerkt.
     Dazu: ›Verstorben.‹ Diesmal keine Nummer dahinter.
    Ich legte den Stapel Fotos
     beiseite. Unzufriedenheit überfiel mich. Ich war mir nicht sicher, ob
     ich einen Haufen nichtssagender Abzüge vor mir hatte oder einfach
     nicht genug wußte, um herauszufinden, was ich mir da eigentlich
     verschafft hatte. Ich war ratlos, und mir war nicht danach, noch lange darüber
     nachzudenken. Es war eine anstrengende Nacht nach einem anstrengenden Tag
     gewesen. Ich spürte, daß ich nur noch rein mechanisch
     funktionierte.
    Ich warf mich auf mein Bett.
     Mein Zustand erinnerte mich an die Tage nach den zermürbenden Nächten,
     in denen meine Tochter ihre ersten Zähne bekam. Harte Zeiten.
    Im gleichen Augenblick mußte
     ich an Eddie denken, den einsamen Wachmann, und meinen Hocker, den
     unerreichbaren Gefangenen. Das verhalf mir zu einem echten Stimmungstief.
    Wie kann sich jemand mit
     meinen Fähigkeiten als solch armseliger Einbrecher erweisen?
    Keine Nerven, das mußte
     es wohl sein. Vielleicht auch einfach mangelnde Übung. Träge
     beschloß ich, mehr zu üben.
    Vielleicht ein Leben des
     Verbrechens zu führen. Träge schlief ich ein.

12
    Eine Sirene heulte, aber sie
     galt nicht mir. So gegen Viertel nach drei. Nicht mehr viel übrig vom
     Tag. Und trotzdem hatte ich mich geistig kaum erholt. Gerade so weit, daß
     ich mir einen großen Briefumschlag, ein Ringbuch, einen Locher und
     eine Schere aus dem Büro holen konnte.
    In den Umschlag steckte ich
     die am Vormittag vergeblich studierten Abzüge. Dann sammelte ich die
     Duplikate, die ich in meiner morgendlichen Arbeitswut angefertigt hatte,
     von den verschiedenen Orten zusammen, wo sie trockneten. Ich gratulierte
     mir zu meinem Eifer. Ich glättete die Abzüge und lochte sie für
     das Ringbuch. Dann schnitt ich die Namen und Adressen heraus und heftete
     sie nach Patienten sortiert in das Ringbuch. Schließlich bekam die
     Krankenakte eines jeden Patienten noch eine Nummer.
    Ich wurde nicht schlau
     daraus, aber vielleicht konnte ja ein Arzt etwas damit anfangen. Fishman
     war ja nicht der einzige Arzt in der Stadt. Ich hatte selbst einen Arzt.
     Wie einfach das Leben doch ist! Nimm die Aufzeichnungen mit zu Dr. Harry,
     und laß sie von ihm durchsehen. Dazu bedurfte es nichts weiter als
     etwas Geld. Und eines Gebetes sozusagen, daß es überhaupt etwas
     zu entdecken gab.
    Ich rief Harry an, bekam aber
     nur seine Sprechstundenhilfe an den Apparat. »Was macht er?
     Hundefutter aus einem seiner Patienten?«
    »Nein, Mr. Samson«,
     sagte die Helferin. Sie kannte mich von früher. Sie überbrachte
     meine Botschaft ihrem Chef und richtete mir dann aus, daß ich das
     Ringbuch bei ihm zu Hause abgeben solle. Er würde es heute abend für
     mich durchsehen.
    Ich heftete ihm ein
     Zettelchen an das Ringbuch. Er sollte sich die Aufzeichnungen anschauen
     und auf ›alles Ungewöhnliche‹ achten, was immer das
     bedeuten mochte. Es handele sich um die Krankenakten eines praktischen
     Arztes und dessen Sohnes über eine ganze Familie, die bei ihnen in
     Behandlung war.   
    Bevor ich mich aufmachte,
     verfaßte ich im Geist für mich selbst ein ähnliches
     Zettelchen. Was du jetzt tun sollst, ist…
    Was eigentlich? Vor etwa
     vierundzwanzig Stunden hatte ich darüber nachgedacht, was ich
     eigentlich vorhatte - den Vater der am 1. November 1954 in New York City
     geborenen Eloise Graham Crystal ausfindig zu machen.        
    Was konnte ich noch tun, was
     ich bisher unversucht gelassen hatte? Vielleicht nach New York fahren? Ich
     hatte einige Jahre in New York gelebt. Mein Kind war dort zur Welt
     gekommen.
    Sehr schön, aber was
     konnte ich in New York herausfinden?
    Vielleicht, daß Eloise'
     echter Vater Fleur im Krankenhaus besucht hatte. Würde es darüber
     Aufzeichnungen geben? Würde sich eine Schwester dort an ihn erinnern?
    Nein.
    Ich konnte nach Europa reisen
     und versuchen, herauszufinden, wo sie gezeugt worden war. Aber wo in
     Europa sollte ich suchen? Wahrscheinlich in der Nähe des Grabes von
     Joshua Graham. Was hieß Nähe? Zehn Kilometer, hundert
     Kilometer? Wirklich sehr vernünftig. Ich könnte genauer
     herausbekommen, wo und wann sie diverse Orte in Europa besucht hatten.
     Aber

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