Wer viel fragt
von sich weg.
»Bist du ansteckend?«
fragte sie.
Wenn es auch schwer zu
glauben ist, wir sind alle gute Freunde.
»Ich werde es ihm geben«,
sagte sie. Ich stand einfach da und grinste wie der Trottel, als der ich
mir vorkam. »Also ab mit dir!« sagte sie. »Husch husch!
Er ruft dich an.«
Ich zeigte es ihr. Ich ging.
Ich stieg ins Auto, kurbelte
das Fenster herunter und fuhr los.
Langsam.
Ich mußte eine
Entscheidung treffen. Nachdem ich mein Päckchen losgeworden war, an
der frischen Luft und unterwegs, konnte ich auch wieder klar denken. Aber
mir fehlte noch irgendeine Beschäftigung für den Abend, die sich
mühelos beenden ließ, bis ich gegen halb zwölf die Briefe
abholen würde.
Sollte ich Eloise anrufen und
ihr sagen, sie solle die Geschichte mit halb zwölf vergessen? Und die
Briefe nachmittags mitbringen?
Ich beschloß, das nicht
zu tun. Denn ich wollte sie schon vor morgen nachmittag durchsehen, und es
leuchtete mit jetzt, da ich etwas frischer und nachsichtiger war, auch
ein, daß es für sie schwieriger sein konnte, die Briefe zu
einer anderen Zeit hinauszuschaffen als in den ruhigeren Nachtstunden.
Gut. Dann also die Pacers
oder meine Flamme. Ich rief meine Flamme an.
Lieb, wie sie nun mal ist,
sagte sie mir, ich solle mir gar nicht erst die Mühe machen, wenn ich
vor halb zwölf wieder weg wollte. Und sie hat recht. Wir haben eine
klare Geschäftsgrundlage; damit war mein Vorschlag unvereinbar.
Ent- oder weder.
Also auf zu den Pacers.
Am Fairgrounds Coliseum
entnahm ich dem Rest einer Eintrittskarte, die ich dort auflas, daß
die Pacers ihr zweites Saisonspiel Freitag abend gehabt hatten. Heute war
Samstag: spielfrei. Die verschlossenen Tore und die ausgeschaltete
Beleuchtung trugen zur Erhärtung meiner Schlußfolgerung bei.
Es brach mir das Herz.
Dann ging ich ins Fox-Kino
und sah mir schmutzige Filme an.
Was sonst soll ein Mann an
einem einsamen Samstagabend tun?
13
Wenn einem der Kopf ganz
schwer ist vor angestrengter Konzentration auf die fremde Welt des Sexus,
was käme da gelegener als ein spätabendliches Stelldichein mit
einer schönen Maid wie Mademoiselle Eloise?
Ich wartete wie befohlen an
der Ecke Jefferson und Siebzigste Straße; um zwölf fragte ich
mich zum ersten Mal, wann ich wohl ungehalten werden sollte. Aber kaum daß
ich mich mit dieser Frage beschäftigte, wurde mir eine Erscheinung
zuteil, die um die Ecke der Hintergasse bog und auf mich zukam. In
Indianapolis scheinen sogar Phantasiehäuser Hintergassen zu besitzen.
Eloise Crystal kam barfuß, im Nachthemd und mit den versprochenen
Kartons auf mich zugehüpft. Wer will da noch behaupten, daß uns
der Film eine Traumwelt zeigt?
Jetzt stellten sich wirklich
schwere Kopfschmerzen ein. Ich öffnete die Beifahrertür, und sie
rutschte neben mich. Nicht einfach auf den Sitz, sondern neben mich.
»Ich habe lange gebraucht«, sagte sie atemlos, »um die
richtigen zu finden und mich aus dem Haus zu schleichen. Ich bin den
ganzen Weg gerannt. Aber ich habe es geschafft, was?« Sie sah zu mir
auf; auf ihrem Gesicht wirre Reflexe der Straßenbeleuchtung. Ich
fragte mich, ob sie high war. Ich fragte mich, ob ich selbst high war.
Was soll man sagen? »Hauptsache,
Sie haben sie«, sagte ich.
»Tut mir leid, daß
ich so blöd zu Ihnen war, in Ihrem Büro heute. Ich will
eigentlich gar nicht so sein.« Sie nahm meine Hand und küßte
sie, und fast im gleichen Augenblick schlüpfte sie aus dem Auto,
setzte über den beleuchteten Teil des Gehsteigs und verschwand in der
Dunkelheit der Hintergasse.
Eine romantische Erscheinung
für einen einfachen Mann.
Vielleicht sollte
Mademoiselle Eloise treffender die Naive Eloise genannt werden.
Was tut man mit Klienten, die
einem die verdammte Hand küssen?
14
Als ich nach Hause kam, war
ich nicht in der Verfassung zu schlafen. Ich machte mich über die
Briefe her. Nur ein paar vor dem Zubettgehen. Sie hatte sieben Kartons
gebracht. Eine gewaltige Menge Papier. Bis in die frühen
Morgenstunden hinein sortierte ich die Briefe nach Datum; um die
vierzehnhundert Stück, alle in ihren Originalumschlägen.
Der älteste stammte vom
Februar eines nicht näher bestimmbaren Jahres Ende des neunzehnten
Jahrhunderts, der letzte von 1954, geschrieben anläßlich des
Todes von Estes Graham.
Es waren keine Geschäftsbriefe
dabei, aber viele
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