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Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Z. Lewin
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Kaffee ein und nahm
     mir die Aufzeichnungen über Leander Crystal vor. Sie trugen den
     Vermerk: ›Sn.-7/21/56‹. Der Abschnitt Geschichte war hier
     viel kürzer, aber genauso unverständlich. Ich ging weiter zu den
     Seiten mit den Behandlungsterminen.
    Leer, wie bei Fleur.
    Waren die Akten nur
     Attrappen? War der Detektiv ein Einfaltspinsel?
    Oder waren die Crystals so
     gesund? Wenn man mehr riskiert hat, als einem zu verlieren lieb ist, dann
     ist es niederschmetternd, festzustellen, daß man nur wenig gewonnen
     hat. Der Wert einer Information steigert sich nicht dadurch, daß sie
     schwer zu ergattern war.
    Ich brauchte noch Kaffee.
    Dann nahm ich mir die
     aktuelle Akte von Eloise Crystal vor.
    Datiert 17. 11.54, ungefähr
     zwei Wochen nach ihrer Geburt, dem Tag nach ihrer Ankunft in Indianapolis.
     Ich vermutete, daß Fishman junior von Anfang an ihr Arzt gewesen
     war. Oder besser gesagt, von ihrem ersten Erscheinen in Indianapolis an.
    Behandlungstermine in rauhen
     Mengen. Über sechzehn Jahre hinweg. Einzelne Wörter, die mir
     lesbar vorkamen. Aber selbst diese wohlgefüllten Blätter
     stimmten mich trübe. Denn wenn ich nur genügend Zeit darauf
     verwendete, mochte ich zwar das meiste davon herausbekommen; bevor ich
     aber damit fertig war, würde ich keinerlei Anhaltspunkte haben, ob
     überhaupt etwas Wichtiges darinstand. Es war die Ineffizienz der
     bevorstehenden Arbeit, die mich bestürzte.
    Und das nach einem
     furchtbaren, ereignisreichen, aufregenden Tag mit spürbarem
     Schlafdefizit. Vor allem das.
    Ich wandte mich den alten
     Unterlagen von Wilmer Fishman senior zu. Wieder begann ich mit Fleur.
     Diesmal keine leeren Seiten, aber ich war schon zu angeschlagen, um noch
     viel wahrnehmen zu können.
    Die Akte begann
     wahrscheinlich bei ihrer Geburt, mit dem 9. Januar 1930. Sehr dicht wurden
     die Eintragungen von den späten dreißiger Jahren an.
    Zumindest wußte ich
     jetzt, wer die Praxis von Fishman bezahlt hatte: Estes Graham.
    Leander hatte Fishman zum
     ersten Mal 1947 aufgesucht. Ich vermutete, daß Estes ihm den Arzt
     empfohlen hatte. Bis 1953 hatte er Fishman nur sporadisch konsultiert,
     ungefähr zwei Mal pro Jahr. Der letzte Termin war am 5. Januar 1953
     notiert.
    Danach nichts mehr. Siebzehn
     Jahre lang. Geld heilt manche Krankheit. Aber gleich so gründlich? Lächerlich.
    Ich nahm mir Fleurs drei Brüder
     vor. Windom, den ältesten, Sellman und dann Joshua. Alle drei hatten
     ihren letzten Termin Anfang der Vierziger gehabt. Die drei Helden.
     Gefallen.
    ›Verstorben‹
     stand jeweils in der letzten Zeile auf ihrer Akte.
    Über Irene Olian Graham
     gab es nur wenig. Sie war 1937 gestorben. Meine erste Bekanntschaft mit
     dem Tod eines Patienten aus der Sicht des behandelnden Arztes. Unter dem
     letzten Behandlungstermin stand die kurze Notiz. ›Verstorben 19.2.
     37. 156201.‹ Schon nach wenigen Minuten hatte ich begriffen, daß
     es sich bei der letzten Zahl wahrscheinlich nicht um die Anzahl der
     Patienten handelte, die unter Dr. Fishman semors Hand gestorben waren.
     Vielleicht war es die Nummer des Totenscheines.
    Der letzte eingetragene
     Termin war vom gleichen Datum und enthielt eine Notiz, die sich am ehesten
     als ›HB‹ entziffern ließ.
    Ich kam zu dem Schluß,
     daß es wahrscheinlich wirklich ›HB‹ heißen
     sollte, für Hausbesuch.
    Vielen Dank, lieber Watson.
     Ich trank den nächsten Kaffee.
    Ich blätterte Fleurs
     Unterlagen noch einmal rückwärts durch.
    In der älteren Akte
     waren, so schien es, Hunderte von Hausbesuchen verzeichnet. Ich spürte,
     daß mir bei Fleur irgendwie unbehaglich wurde. Wegen des
     Zusammenspiels all der Dinge, die ich herausgefunden hatte oder nicht
     herausgefunden hatte. Ich war mir immer unsicherer, ob ich jemals aus ihr
     schlau werden würde, dafür aber um so sicherer, daß ich
     ihr eines Tages begegnen würde. Ich wurde depressiv.
    Estes Graham. Anscheinend zum
     ersten Mal von Fishman senior behandelt 1901. Der Senior konnte damals
     seine Praxis eigentlich gerade erst eröffnet haben. Und wer weiß,
     womit Estes damals gerade anfing. Er war ziemlich selten in der Praxis
     gewesen, manchmal jahrelang nicht, bis seine Besuche ab 1946 regelmäßig
     und häufig wurden. Viele Notizen, Zeichen und Zahlen.
    Ich konzentrierte mich
     angestrengt, konnte aber in alledem kein vertrautes Wort erkennen. Meine
     Mißachtung der Arztserien im Fernsehen rächte sich jetzt
     bitter. Keine Frage, daß sich sein

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