Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Z. Lewin
Vom Netzwerk:
Unwohlsein bei der Beobachtung, daß eine Klientin hereinschneite und
     wieder abzog, wie es ihr beliebte - um mich zu kontrollieren.
    Schön, sie war eine
     Klientin. Sie hatte mich bezahlt - im voraus, und zwar mit der beträchtlichen
     Summe von elfhundert Dollar. Ihr Anliegen war völlig legitim, ging es
     doch um ihre eigene Legitimität. Alles schön und gut.
    Aber andererseits war Eloise
     Crystal noch ein Kind, und niemand, erst recht nicht ein Freiberufler von
     Format, ist gern gegenüber einem Kind verantwortlich.
    Aber ich hatte ja von Anfang
     an gewußt, daß sie ein Kind war.
    Hatte ich das? Oder hatte ich
     in ihr die junge Erwachsene gesehen, die sie hatte darstellen wollen? Oder
     hatte ich einen Auftrag gesehen, der mal ganz anders war als das Gewohnte?
    Oder habe ich einfach nur
     einen Auftrag gesehen, Punktum, im Gegensatz zu keinem Auftrag?
    Mir fiel wieder ein, daß
     ich von sehr vielen Annahmen und Voraussetzungen ausgegangen war. Im
     wesentlichen weil ich es so gewollt hatte, möglicherweise aus Gründen,
     die ich mir selbst nicht eingestehen mochte.
    Wenn man es genau
     betrachtete, dann bedeutete meine Klientin mir vielleicht mehr als nur ein
     Geschäft. Ich, und mich von einem Kind einfangen lassen? Das wäre
     eine merkwürdige Wendung. Aber wer weiß schon von sich, wie
     wendig er ist?
    Ich stand auf und streckte
     mich. Ich rieb mir das Kinn, ging zum Spülbecken und ließ mir
     etwas kaltes Wasser übers Gesicht laufen. Ich tat alles, was ich zu
     tun pflege, wenn ich auf einem Kurs bin, der mir nicht gefällt.
    Es half ein wenig. Wenn man
     in Schwierigkeiten ist, soll man sich auf die Grundlagen besinnen. Eine
     gute Basketballregel. Ich versuchte herauszukriegen, wozu ich mich da
     eigentlich selbst bewegen wollte.
    Ich sollte einen Vater
     ausfindig machen, nicht wahr? Weil ein Kind ein paar Blutuntersuchungen
     angestellt hatte, richtig?
    Ich schämte mich vor mir
     selbst. Was für eine furchtbar konfuse, orientierungslose Masse aus
     mir geworden war! Ich war in Fishmans Praxis eingebrochen, um eine Bestätigung
     für die Blutuntersuchungen zu bekommen, und hatte nicht einmal
     versucht, die Angabe der Blutgruppen in meinem Material zu finden.
    Und ich wußte, daß
     ich es auch jetzt nicht tun würde. Daraus mag man Rückschlüsse
     auf meinen Geisteszustand ziehen. Ich ging an meinen Küchenschrank
     und nahm eine halbvolle Flasche mittelmäßigen Bourbon heraus.
     Der Form halber habe ich auch eine Flasche in meiner
     Schreibtischschublade, aber gewöhnlich überkommt es mich in
     meinem Privatquartier. Ich nahm einen langen Schluck. Zum Teufel mit dem
     Tag.
    Ich nahm mir noch einmal die
     Notiz für Harry vor und schrieb darunter: »Und ich brauche die
     Blutgruppen aller Beteiligten, soweit die Angaben vorliegen.«
    Dann ging ich wieder nach
     hinten und gönnte mir noch einen Schluck aus Papas Nuckelflasche.
    Darf ein Detektiv vielleicht
     nicht depressiv werden? Vor allem ein alleinstehender Detektiv?
    Ich merkte, daß es
     bereits dunkel war und ich den ganzen Tag noch keinen Fuß vor die Tür
     gesetzt hatte. So was kann ja nicht gutgehen.
    Ich griff nach meinem Mantel
     und der schweren Last der ärztlichen Aufzeichnungen und ging.
    Ich fuhr sehr langsam. Aber
     es dauerte trotzdem nicht sehr lange, bis ich an Ort und Stelle war. Spann
     and Spruce. Wirklich nicht sehr weit von dort, wo ich mein müdes
     Haupt hinbette.
    Gewöhnlich lebe ich gern
     in einer kleinen Welt, wo alles dicht beisammenliegt. Aber nicht an diesem
     Abend. Warum hatte ich nicht einen Arzt, der weit genug weg wohnte, daß
     ich wieder nüchtern war, bevor ich dort ankam? Wenn ich schön
     langsam fuhr? Warum hatte ich nicht Fishman als Arzt? Er war gut und weit
     genug weg.
    Ich war immer noch verärgert
     über meine Episode bei Fishman.
    Nun gut, bei jedem von uns
     gibt es Dinge, die uns abstoßen, wenn wir uns ihrer erinnern. Man
     versucht halt, nicht dran zu denken.
    Ich war gerade intensiv mit
     Nicht-dran-Denken beschäftigt, als ich bei Dr. Harry eintraf.
    »Puh! Du riechst wie
     eine Brennerei.« Das war Evvie, Harrys Frau. Sie schmeichelt gern.
    »Das ist für Harry«,
     sagte ich und hielt ihr das Ringbuch mit den Krankenakten hin. Die
     wertlosen Früchte eines idiotischen Ausflugs. »Ich habe ihn
     deswegen angerufen. Und ein paar Worte dazu geschrieben.« Ich lächelte,
     um freundlich zu wirken.
    Sie nahm das Ringbuch mit
     spitzem Daumen und Zeigefinger und hielt es weit

Weitere Kostenlose Bücher