Wer viel fragt
Unwohlsein bei der Beobachtung, daß eine Klientin hereinschneite und
wieder abzog, wie es ihr beliebte - um mich zu kontrollieren.
Schön, sie war eine
Klientin. Sie hatte mich bezahlt - im voraus, und zwar mit der beträchtlichen
Summe von elfhundert Dollar. Ihr Anliegen war völlig legitim, ging es
doch um ihre eigene Legitimität. Alles schön und gut.
Aber andererseits war Eloise
Crystal noch ein Kind, und niemand, erst recht nicht ein Freiberufler von
Format, ist gern gegenüber einem Kind verantwortlich.
Aber ich hatte ja von Anfang
an gewußt, daß sie ein Kind war.
Hatte ich das? Oder hatte ich
in ihr die junge Erwachsene gesehen, die sie hatte darstellen wollen? Oder
hatte ich einen Auftrag gesehen, der mal ganz anders war als das Gewohnte?
Oder habe ich einfach nur
einen Auftrag gesehen, Punktum, im Gegensatz zu keinem Auftrag?
Mir fiel wieder ein, daß
ich von sehr vielen Annahmen und Voraussetzungen ausgegangen war. Im
wesentlichen weil ich es so gewollt hatte, möglicherweise aus Gründen,
die ich mir selbst nicht eingestehen mochte.
Wenn man es genau
betrachtete, dann bedeutete meine Klientin mir vielleicht mehr als nur ein
Geschäft. Ich, und mich von einem Kind einfangen lassen? Das wäre
eine merkwürdige Wendung. Aber wer weiß schon von sich, wie
wendig er ist?
Ich stand auf und streckte
mich. Ich rieb mir das Kinn, ging zum Spülbecken und ließ mir
etwas kaltes Wasser übers Gesicht laufen. Ich tat alles, was ich zu
tun pflege, wenn ich auf einem Kurs bin, der mir nicht gefällt.
Es half ein wenig. Wenn man
in Schwierigkeiten ist, soll man sich auf die Grundlagen besinnen. Eine
gute Basketballregel. Ich versuchte herauszukriegen, wozu ich mich da
eigentlich selbst bewegen wollte.
Ich sollte einen Vater
ausfindig machen, nicht wahr? Weil ein Kind ein paar Blutuntersuchungen
angestellt hatte, richtig?
Ich schämte mich vor mir
selbst. Was für eine furchtbar konfuse, orientierungslose Masse aus
mir geworden war! Ich war in Fishmans Praxis eingebrochen, um eine Bestätigung
für die Blutuntersuchungen zu bekommen, und hatte nicht einmal
versucht, die Angabe der Blutgruppen in meinem Material zu finden.
Und ich wußte, daß
ich es auch jetzt nicht tun würde. Daraus mag man Rückschlüsse
auf meinen Geisteszustand ziehen. Ich ging an meinen Küchenschrank
und nahm eine halbvolle Flasche mittelmäßigen Bourbon heraus.
Der Form halber habe ich auch eine Flasche in meiner
Schreibtischschublade, aber gewöhnlich überkommt es mich in
meinem Privatquartier. Ich nahm einen langen Schluck. Zum Teufel mit dem
Tag.
Ich nahm mir noch einmal die
Notiz für Harry vor und schrieb darunter: »Und ich brauche die
Blutgruppen aller Beteiligten, soweit die Angaben vorliegen.«
Dann ging ich wieder nach
hinten und gönnte mir noch einen Schluck aus Papas Nuckelflasche.
Darf ein Detektiv vielleicht
nicht depressiv werden? Vor allem ein alleinstehender Detektiv?
Ich merkte, daß es
bereits dunkel war und ich den ganzen Tag noch keinen Fuß vor die Tür
gesetzt hatte. So was kann ja nicht gutgehen.
Ich griff nach meinem Mantel
und der schweren Last der ärztlichen Aufzeichnungen und ging.
Ich fuhr sehr langsam. Aber
es dauerte trotzdem nicht sehr lange, bis ich an Ort und Stelle war. Spann
and Spruce. Wirklich nicht sehr weit von dort, wo ich mein müdes
Haupt hinbette.
Gewöhnlich lebe ich gern
in einer kleinen Welt, wo alles dicht beisammenliegt. Aber nicht an diesem
Abend. Warum hatte ich nicht einen Arzt, der weit genug weg wohnte, daß
ich wieder nüchtern war, bevor ich dort ankam? Wenn ich schön
langsam fuhr? Warum hatte ich nicht Fishman als Arzt? Er war gut und weit
genug weg.
Ich war immer noch verärgert
über meine Episode bei Fishman.
Nun gut, bei jedem von uns
gibt es Dinge, die uns abstoßen, wenn wir uns ihrer erinnern. Man
versucht halt, nicht dran zu denken.
Ich war gerade intensiv mit
Nicht-dran-Denken beschäftigt, als ich bei Dr. Harry eintraf.
»Puh! Du riechst wie
eine Brennerei.« Das war Evvie, Harrys Frau. Sie schmeichelt gern.
»Das ist für Harry«,
sagte ich und hielt ihr das Ringbuch mit den Krankenakten hin. Die
wertlosen Früchte eines idiotischen Ausflugs. »Ich habe ihn
deswegen angerufen. Und ein paar Worte dazu geschrieben.« Ich lächelte,
um freundlich zu wirken.
Sie nahm das Ringbuch mit
spitzem Daumen und Zeigefinger und hielt es weit
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