Wer viel fragt
Fragen über die Familie
stellt? Ich hatte ihm Maudes Namen nicht gegeben. Er kannte nur meinen
Namen. Er konnte herausfinden, daß ich Privatdetektiv war; na und?
Die Vorstellung machte mich
ein wenig neugierig - es könnte interessant werden, abzuwarten, was
sich aus all dem entwickelte. Ich hatte Leander Crystal bisher noch nicht
viel Aufmerksamkeit geschenkt. Sicherlich war er wichtig, war er ein Teil
der Geschichte. Soweit ich die Geschichte bisher kannte.
Würde er glauben, daß
Fleur Schritte zu einer Scheidung unternahm? Was konnte er vernünftigerweise
annehmen?
Wie dem auch sei, ich war
immerhin zu Hause und nicht verhaftet oder sonstwie in Schwierigkeiten.
Ich hatte die Informationen, hinter denen ich her gewesen war, auf Film
gebannt. Jetzt mußte ich mir die Informationen auf dem Film nur noch
zugänglich machen.
Ich begann mit der
Entwicklung.
Als ich zum ersten Mal die
Fotoausrüstung für meine Arbeit benutzte, mußte ich meine
Filme noch entwickeln lassen. Das Filmentwickeln, vor allem, wenn es
darauf ankommt, daß kein Teil des Films beschädigt wird, ist
eine ziemlich schwierige Angelegenheit. Aber inzwischen beherrsche ich das
recht gut.
Mit einer Routine, die ich
mir im Laufe der Jahre angeeignet habe, erziele ich ganz gute Negative.
Schwierig zu entscheiden war
nur, ob ich den Film über Nacht trocknen lassen sollte oder lieber
versuchen, diesen Hergang zu beschleunigen, um sofort Abzüge machen
zu können. Aber dann hätte ich auch noch darauf warten müssen,
daß die Abzüge trocknen und sie doch nicht sofort lesen können.
Also beschloß ich, die
Filme über Nacht in Ruhe trocknen zu lassen. Ich hängte sie in
meinem Wandschrank auf, der gleichzeitig als Dunkelkammer diente. Und dann
hängte ich mich selbst zum Trocknen auf; ich zitterte immer noch. Ich
sah mir einen Spätfilm an. Oder auch zwei.
11
Ich erwachte um sieben Uhr
dreißig. Viel zu früh, aber es gelang mir nicht, wieder
einzuschlafen, und nachdem ich ein paar Sekunden bei klarem Bewußtsein
gewesen war, wollte ich auch nicht mehr einschlafen.
Nach meinen eigenen Maßstäben
hatte ich für die Aufnahmen ziemlich viel riskiert, und jetzt wollte
ich wissen, was sie hergaben. Die Frage war nur, ob ich die Abzüge
vor oder nach dem Frühstück machen sollte.
Ich machte sie vor dem Frühstück.
Da alles auf Spesen ging,
beschloß ich, gründlich zu sein. Ich machte zwei Vergrößerungen
von jeder Seite der Krankengeschichten. Danach wurden die Vergrößerungen
schnellfixiert und schnellgewaschen. Und einen Satz mit Ferrotypieblechen
steckte ich in den Backofen, damit sie schneller trockneten. Die übrigen
Vergrößerungen breitete ich überall auf Handtüchern
im Zimmer aus. Dann machte ich mir meinen Frühstückskaffee.
Die Bilder im Backofen
trockneten zwar schnell, rollten sich aber zu kleinen Zylindern zusammen.
Ich mußte sie über der Tischkante wieder geradebiegen. Als das
getan war, sortierte ich sie und gönnte mir einen Blick auf die Früchte
meiner Arbeit.
Das Wichtigste zuerst. Ich
versuchte es mit Fleurs aktuellem Krankenblatt.
Es stellte sich heraus, daß
es eine einfachere Lektüre gibt als die Aufzeichnungen eines Arztes.
Ich verstand nur Bahnhof.
Schließlich gelang es
mir wenigstens, die Datumsangaben zu interpretieren. Zum Beispiel, daß
die Aufzeichnungen am 21.
Juli 1956 einsetzten, nicht
mit einem Besuch, sondern mit einer Notiz des Wortlautes: ›Sn.7/21/56‹.
Ich gestatte mir die Vermutung, das könne bedeuten, sie sei eine
Patientin von Fishman senior gewesen und zu diesem Datum vom Sohn übernommen
worden. Weil sich der alte Fishman aus der Praxis zurückgezogen hatte
oder weil er gestorben war.
Dann gab es einen Abschnitt
mit der Überschrift »Geschichte«. Ich konnte ihn nicht
entziffern.
Die Seiten, auf denen die
Termine verzeichnet waren, konnte ich lesen. Es gab keine.
Ich begann mich zu fragen, ob
ich irgendwelche Defizite hatte. Vielleicht klaffte in meiner Ausbildung
eine Lücke. Ich konnte den Unterlagen nichts anderes entnehmen, als
daß Fleur seit 1956 nicht mehr bei Dr. Fishman gewesen war. Warum
war das so bemerkenswert? Die Frage konnte ich mir selbst beantworten.
Weil er angeblich ihr Hausarzt war. Mir war also doch etwas durch die
Lappen gegangen.
Was hatte es zum Beispiel mit
der Fehlgeburt auf sich? Ich goß mir eine Tasse
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