Wer viel fragt
einzusehen, benötigen Sie einen Gerichtsbeschluß.
Haben Sie einen Gerichtsbeschluß?«
Ich seufzte auf. Ich hatte es
versucht.
Miss Moleman ist eine
verschlossene Tür. Der Schlüssel zu Miss Moleman ist Miss Fitch,
ihre Chefin. Der Schlüssel zu Miss Fitch ist Maude Simmons. Und der
Schlüssel zu Maude Simmons ist Geld. Man geht ja mit dem Geld seiner
Klienten lieber sparsam um, aber das ist bei Miss Moleman nicht möglich.
Eins der vielen Dinge, die bei ihr nicht möglich sind.
Von Miss Molemans Domäne
aus bog ich links in den nächsten Korridor ein. Ich war auf dem Weg
zum nächsten öffentlichen Telefon. Das befand sich im Erdgeschoß
in der Empfangshalle des Gesundheitsamtes an einem Fenster. Ich konnte von
dort aus die Parkuhr sehen, an der mein Wagen stand. Ich hatte gehofft,
diesmal Glück zu haben. Zuerst hatte ich auch im Regen direkt vor dem
Amt eine Parkuhr gefunden, die erst in einer halben Stunde ablief. Aber
nein. Miss Moleman lag nicht zu Hause mit einer Grippe im Bett. Also mußte
ich beim Indianapolis Star anrufen.
Ich sprach mit Maude. Maude
sprach mit Miss Fitch. Miss Fitch ging von ihrem Büro ins Archiv und
nahm eine Akte heraus. Sie hatte sie schon auf ihrem Schreibtisch liegen,
als ich vom Telefon aus den Weg zu ihrem Büro hinauf bewältigt
hatte.
Ich drückte ihr fünf
Dollar in die Hand - Maude würde später zehn bekommen.
So bekam ich schließlich
meinen bösen Willen. Vielleicht haben Sie noch nie einen Totenschein
zu Gesicht bekommen. So was ist gestopft voll mit nützlichen
Informationen. Estes Graham war am 20. August 1954 gestorben. Verschluß
der Herzkranzgefäße. Keine Autopsie.
Er war ein ›Geschäftsmann‹.
Er hatte nicht auf einer Farm gelebt. Der Mädchenname seiner Mutter
war Graham. Der letzte behandelnde Arzt war Henry Chivian. Die Bestattung
wurde ausgerichtet vom Bestattungsinstitut Happy Hoosier am 24.August
1954.
Okay. Pflichtschuldigst
notiert.
Ich bedankte mich bei Miss
Fitch und gab ihr die Akte zurück. Sie erhob sich und brachte die
Akte zurück zu Miss Moleman. Auf dem Weg hinaus kam ich an Miss
Molemans Büro vorbei. Ich glaubte, hinter der Tür ein Schluchzen
zu vernehmen.
Der Regen hatte etwas
nachgelassen. Ganz frohgemut fuhr ich zurück in Richtung Stadtmitte.
Das Gebäude der Stadt-
und Countyverwaltung ist einen Block von meinem Büro entfernt, aber
wegen des Regens wollte ich versuchen, einen Parkplatz näher daran zu
finden. Wieder hatte ich Glück. Eine Parklücke mit Parkuhr nur
einen Steinwurf entfernt. Ich fütterte die Maschine mit einem
Zehn-Cent-Stück und überquerte wohlgemut die Straße.
Bestätigte Testamente
sind frei zugänglich. Aber ohne triftigen Grund dauerte es länger,
bis das Gesuchte vor mir lag, als ich zur Einsicht in den Totenschein
gebraucht hatte. Ich ließ mich jedoch nicht abschütteln und
wurde belohnt.
Es war ein sauberes altes
Dokument, datiert vom 12. Dezember 1937 und seit diesem Tag nicht mehr
umgeschrieben, ein Zeugnis für Estes Grahams Unbeirrbarkeit. Die
einzige Änderung, die darin vorgenommen worden war, betraf die Namen
der drei Söhne. Ein einfacher Tintenstrich durch jeden Namen.
Datiert, mit den Initialen des Erblassers versehen, von Zeugen bestätigt.
Bis man bei den Namen und den einzelnen Vermächtnissen ankam, hatte
man allerdings schon einige Seiten hinter sich.
Es war nicht gerade Otto
Normalverbrauchers Testament. Es war nach dem Tod von Estes' Ehefrau
niedergeschrieben worden und begann mit einer langen Eloge auf sie und
ihrer beider Ehe.
Offensichtlich war zeitgleich
mit der Heirat eine völlige Umstellung in Estes' Lebensführung
erfolgt. Seine bemühte, gottesfürchtige Prosa ließ
deutlich erkennen, daß er seine Gattin geliebt und ihr alle Tugenden
und Werte seines Lebens zugeschrieben hatte. Sein Leben vor Irene wurde
kurz zusammengefaßt als »sinnlose Verschwendung von
Lebenskraft«. Soweit ich es beim Überfliegen erkennen konnte,
war Estes' Heirat mit der Dame etwas Ähnliches wie eine religiöse
Konvertierung gewesen.
Von dem Vermögen war ein
Drittel an eine gewisse BillyLee-Olian-Stiftung gegangen. Ich sah in
meinen Notizen nach.
Billy Lee war Irenes Vater,
der Prediger.
Die verbliebene Vermögensmasse
wurde als Treuhandeigentum zugunsten Estes' Erben verwaltet. Die Hälfte
davon fiel an seine Kinder. Die Hälfte
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