Wer viel fragt
geworden sein mußte, ohne selbst davon zu wissen,
das heißt, ohne sich des Geschlechtsaktes im Augenblick seines
Vollzuges und kurz danach bewußt gewesen zu sein. Fleur mußte
also irgendwie und irgendwo bewußtlos geschlagen oder unter Drogen
gesetzt worden sein (zufällig oder mit Absicht) und in diesem Zustand
sanft vergewaltigt worden sein. Danach kommt sie mit so starken
Kopfschmerzen wieder zu sich, daß sie die anderen Symptome nicht
bemerkt.
Das mochte zwar denkbar sein,
schien aber mit allem, was sonst bekannt war, schwer vereinbar. Vor allem
nicht mit Leander. Wo bleibt denn der werte Ehemann, während all das
passiert? Treibt er sich aushäusig herum? Liegt er, ebenfalls bewußtlos
geschlagen, neben ihr?
Alles in allem war das viel
zu phantastisch, als daß ich es lediglich aufgrund des Ausschlusses
anderer Möglichkeiten annehmen konnte.
Womit ich wieder am
Ausgangspunkt war: eine Affäre oder eine bewußt erlebte
Vergewaltigung.
Die Wahrscheinlichkeit für
eine Affäre belief sich auf eins zu eine Million - nach Einschätzung
von Florence, ihres Zeichens Landpomeranze aus Indiana. Ich teilte ihre
Einschätzung, nachdem ich Fleur kennengelernt hatte. Sie war zwar
attraktiv, aber was sie antrieb, hatte mit Sinnlichkeit nichts zu tun. Sie
suchte Liebe, aber eine Art liebe, in der Sex keine Rolle spielt.
Also Vergewaltigung. Das kann
jeder Frau passieren, nehme ich an. Die entscheidende Frage dabei war
nicht, ob es passiert sein konnte, sondern wie Leander darauf reagiert hätte.
Was wußte ich also von
Leander Crystal? Hätte er ein Kind als sein eigenes aufgezogen, von
dem er wußte, daß es von einem anderen Mann sein konnte?
Der Mann aus Ames, Iowa,
sagte nein. Der Weltkriegsheld sagte nein. Estes Grahams »Schwiegersohn«,
der einen auf der Geburtstagsparty mit Alkohol ertappten Reporter
hinauswarf, sagte nein. Mrs. Forebush sagte nein. Und der Mann, der Fleurs
Anteil am Nachlaß ihres Vaters wieder in die
Zehn-MillionenDollar-Klasse gebracht hatte, sagte: »Nur, wenn damit
etwas zu verdienen ist.«
Etwas zu verdienen. So wie
die fast zwei Millionen, mit denen er herumspielen konnte. Also war Eloise
für ihn knapp zwei Millionen Dollar wert.
Der Gedanke faszinierte mich.
Der glatzköpfige Mann mit der faltigen Stirn, der mich auf höflichste
Weise aus seinem Haus komplimentiert hatte. Der übermächtige,
treusorgende Vater.
Verkaufte das Fleisch seiner
Frau um des guten, alten, uramerikanischen Profitstrebens willen.
Die Jahreszahlen aus meinem
Notizbuch sprangen mich regelrecht an. Heirat 1949. Erstes Kind 1954.
Bedeutete das vier Jahre, bis sie begriffen hatten, daß es nicht
klappte? Fleur war zuletzt zur Feststellung ihrer Fruchtbarkeit bei Dr.
Fishman gewesen, und sie hatte diese Untersuchung abgebrochen.
Vielleicht hatten ähnliche
Untersuchungen auch bei Leander angestellt werden sollen. Vielleicht aus
Angst vor den Resultaten war er vom Hausarzt, von Estes' Arzt, zu einem
anderen gewechselt, zu jemandem, bei dem das Geheimnis besser aufgehoben
war?
Und dann? Nach einigen Tests
mit unbekanntem Ausgang auf nach Europa, angeblich zum Zweck, »Joshis
Grab zu besuchen«.
Wie lange hätten sie
dazu gebraucht? Fast sieben Monate?
Und was geschah dort? Leander
sorgt dafür, daß irgend jemand seiner Frau ein Kind macht.
Entspricht nicht ganz bürgerlichprotestantischer Moral, zeigt aber
eine kerngesunde Profitorientierung.
Und es verlangte nur eine
einfache Voraussetzung. Daß nämlich Leander und Fleur die
Klausel in Estes' Testament kannten. Der Rest ergab sich von allein. Von
Vergewaltigung keine Spur. Fleurs extreme Hingabe an ihren Mann konnte so
asexuell sein, daß sie ihr jede sexuelle Aktivität gestattete.
Ich verordnete mir eine Pause
in meiner tagesfüllenden Tätigkeit. Ich hatte mich
vergaloppiert. War viel zu übereilt vorgegangen.
Meine Theorie war unhaltbar.
Das Fundament, das sie trug, zerstörte sie gleichzeitig. Fleurs jüngste
Fehlgeburt. Man mußte sicher davon ausgehen, daß Leander der
Vater dieser Zwillinge war. Aber auch das müßte erst noch bestätigt
werden.
Eins jedenfalls wurde mir
mehr als klar. Ich wußte nicht viel über Leander Crystal, und
es wurde Zeit, daran etwas zu ändern.
Noch vor dem Zubettgehen traf
ich Vorbereitungen, um genau das zu tun.
18
Der Wecker klingelte um fünf
Uhr dreißig. Ich
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