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Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Z. Lewin
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sich wieder unter Kontrolle zu bringen, war ich gerade damit beschäftigt,
     mir seine Bilder anzusehen. Eins zeigte überhaupt nicht ihn, sondern
     jemanden, den ich nicht kannte. Eins sah wie eine Zeitungsaufnahme von ihm
     aus, auf der er von irgend jemandem so etwas wie eine Ordensschnalle
     entgegennahm. Und das dritte zeigte den Arzt in seiner vollen
     Armeeuniform. An diesem Bild stimmte irgend etwas nicht. Ich wußte
     nur nicht, was.
    Chivian hatte sich wieder
     etwas beruhigt; ich kam jetzt richtig in Fahrt.
    »Hübscher kleiner
     Scherz, Doc«, sagte ich mit meiner besten Bogart-Stimme und meinem
     besten Cagney-Blick.
    »Na ja, ich
     entschuldige mich, Samson. Aber man hatte mich vorgewarnt, daß Sie
     vielleicht vorbeikommen könnten, und ich vergleiche die Namen und
     Adressen neuer Patienten immer mit dem Telefonbuch und einem
     Adressenregister von Lafayette.
    Mr. Keindly hatte weder eine
     Telefonnummer noch eine Adresse. Ich hätte Sie auch weitermachen
     lassen, aber ich habe heute einfach nicht mehr genug Zeit, um mir einmal
     in Ruhe anzusehen, wie ein richtiger Privatdetektiv arbeitet.« Er
     grinste, der Bastard.
    »Beantworten Sie mir
     denn jetzt einige Fragen, oder spielen Sie weiter den Witzbold?«
    »Sollte eigentlich von
     den Fragen abhängen, ich weiß. Aber ich muß die Tatsache,
     daß ich nichts in meinem Leben zu verbergen habe, gegen die
     Dreistigkeit abwägen, mit der Sie hierherkommen und mir überhaupt
     irgendwelche Fragen stellen.«
    »Es hängt davon
     ab, wie gut Sie mit Leander Crystal befreundet sind.«
    »Soll das heißen,
     daß Sie sein Angebot annehmen?«
    »Nicht unbedingt, aber
     damit ist die letzte Frage bereits beantwortet.«
    »Ich weiß.«
     Er seufzte. »Ich hatte mir etwas mehr Stil von Ihnen erhofft,
     Samson, aber Sie bieten nichts als miese kleine Spielchen. Leander und ich
     waren zusammen in der Armee. Wir sind in Kontakt geblieben, und als er
     sich in Indianapolis niederließ, hat er mich gefragt, ob ich es
     nicht ebenfalls dort versuchen wolle. Ich hab's versucht und wurde zum
     Hausarzt seiner Familie. Nach einer Weile hatte ich den Wunsch, hier in
     der Gegend eine Praxis aufzumachen; er hat mir geholfen, ein Darlehen dafür
     zu bekommen. Dann hat sich hier eine günstige Gelegenheit ergeben,
     und ich bin geblieben. Ich fahre für gewöhnlich alle zwei Wochen
     einmal nach Indianapolis, um nach Fleur zu schauen. Am Nachmittag spiele
     ich dann Golf mit Leander. Manchmal bleibe ich allerdings nicht bis
     nachmittags.   
    Wollen Sie sonst noch etwas
     wissen? Wenn ja, fassen Sie sich bitte kurz. Es warten Patienten auf mich.«
    »Nein, sonst nichts«,
     sagte ich.
    Ich stand auf, verließ
     den Raum und schloß ganz leise hinter mir die Tür.
    Im Wartezimmer saßen
     keine Patienten. Da war nur Mrs. Rogers.
    Als ich an ihr vorbeiging,
     sagte sie: »Haben Sie ihm den ganzen Spaß gemacht, den Sie für
     mich in petto hatten? Er brauchte das. Er war ziemlich nervös die
     letzten paar…«
    Das Ende ihrer besorgten Ausführungen
     hörte ich nicht mehr.
    Ich hatte die Tür
     zugezogen, und gleichzeitig hatte sie aufgehört zu reden. Das Echo
     ihres Lachens verfolgte mich, während ich zu meinem Wagen hinausging,
     aber das war vielleicht einfach nur meine Phantasie.
    Ich fuhr wie der Teufel zurück
     nach Indianapolis.
    Kombination aus Stimmung und
     Umständen. Wenn Leander Crystal solche Freunde hatte, brauchte er
     wahrscheinlich keine Feinde. Während der ersten Hälfte der Fahrt
     brütete ich noch viele andere ebenso neuartige Erkenntnisse aus.
    Aber als ich in die Stadt
     kam, entspannte ich mich langsam.
    Es ging auf fünf zu, und
     die Tatsache, daß ich an dem stadtauswärts gerichteten Straßenverkehr
     der Rushhour vorbei in die Stadt hineinrollte, verbesserte meinen Zustand.
     Ich wurde nachdenklicher. Nachdenklich genug, um klarzukriegen, was mich
     an diesem Armeefoto gestört hatte. Im Prinzip nichts. Es hatte nicht
     im mindesten gelogen. Es mußte aufgenommen worden sein, als Chivian
     etwa dreißig Jahre alt war, wenn man an die Ausbildung auf der Uni
     dachte und das alles.
    Fast dreißig und nur
     noch sehr wenige Haare. Viel weniger als heute. Jetzt wurde mir auch klar,
     warum er selbst im Augenblick des Triumphs seinen Kopf festhalten mußte.
     Der Bastard war kahl, kahl wie ein Ei.
    So kahl, könnte man
     sagen, wie Leander Crystal.
    Vom Kessler Boulevard bis zur
     Achtunddreißigsten Straße, was keine geringe Entfernung

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