Wer viel fragt
sich wieder unter Kontrolle zu bringen, war ich gerade damit beschäftigt,
mir seine Bilder anzusehen. Eins zeigte überhaupt nicht ihn, sondern
jemanden, den ich nicht kannte. Eins sah wie eine Zeitungsaufnahme von ihm
aus, auf der er von irgend jemandem so etwas wie eine Ordensschnalle
entgegennahm. Und das dritte zeigte den Arzt in seiner vollen
Armeeuniform. An diesem Bild stimmte irgend etwas nicht. Ich wußte
nur nicht, was.
Chivian hatte sich wieder
etwas beruhigt; ich kam jetzt richtig in Fahrt.
»Hübscher kleiner
Scherz, Doc«, sagte ich mit meiner besten Bogart-Stimme und meinem
besten Cagney-Blick.
»Na ja, ich
entschuldige mich, Samson. Aber man hatte mich vorgewarnt, daß Sie
vielleicht vorbeikommen könnten, und ich vergleiche die Namen und
Adressen neuer Patienten immer mit dem Telefonbuch und einem
Adressenregister von Lafayette.
Mr. Keindly hatte weder eine
Telefonnummer noch eine Adresse. Ich hätte Sie auch weitermachen
lassen, aber ich habe heute einfach nicht mehr genug Zeit, um mir einmal
in Ruhe anzusehen, wie ein richtiger Privatdetektiv arbeitet.« Er
grinste, der Bastard.
»Beantworten Sie mir
denn jetzt einige Fragen, oder spielen Sie weiter den Witzbold?«
»Sollte eigentlich von
den Fragen abhängen, ich weiß. Aber ich muß die Tatsache,
daß ich nichts in meinem Leben zu verbergen habe, gegen die
Dreistigkeit abwägen, mit der Sie hierherkommen und mir überhaupt
irgendwelche Fragen stellen.«
»Es hängt davon
ab, wie gut Sie mit Leander Crystal befreundet sind.«
»Soll das heißen,
daß Sie sein Angebot annehmen?«
»Nicht unbedingt, aber
damit ist die letzte Frage bereits beantwortet.«
»Ich weiß.«
Er seufzte. »Ich hatte mir etwas mehr Stil von Ihnen erhofft,
Samson, aber Sie bieten nichts als miese kleine Spielchen. Leander und ich
waren zusammen in der Armee. Wir sind in Kontakt geblieben, und als er
sich in Indianapolis niederließ, hat er mich gefragt, ob ich es
nicht ebenfalls dort versuchen wolle. Ich hab's versucht und wurde zum
Hausarzt seiner Familie. Nach einer Weile hatte ich den Wunsch, hier in
der Gegend eine Praxis aufzumachen; er hat mir geholfen, ein Darlehen dafür
zu bekommen. Dann hat sich hier eine günstige Gelegenheit ergeben,
und ich bin geblieben. Ich fahre für gewöhnlich alle zwei Wochen
einmal nach Indianapolis, um nach Fleur zu schauen. Am Nachmittag spiele
ich dann Golf mit Leander. Manchmal bleibe ich allerdings nicht bis
nachmittags.
Wollen Sie sonst noch etwas
wissen? Wenn ja, fassen Sie sich bitte kurz. Es warten Patienten auf mich.«
»Nein, sonst nichts«,
sagte ich.
Ich stand auf, verließ
den Raum und schloß ganz leise hinter mir die Tür.
Im Wartezimmer saßen
keine Patienten. Da war nur Mrs. Rogers.
Als ich an ihr vorbeiging,
sagte sie: »Haben Sie ihm den ganzen Spaß gemacht, den Sie für
mich in petto hatten? Er brauchte das. Er war ziemlich nervös die
letzten paar…«
Das Ende ihrer besorgten Ausführungen
hörte ich nicht mehr.
Ich hatte die Tür
zugezogen, und gleichzeitig hatte sie aufgehört zu reden. Das Echo
ihres Lachens verfolgte mich, während ich zu meinem Wagen hinausging,
aber das war vielleicht einfach nur meine Phantasie.
Ich fuhr wie der Teufel zurück
nach Indianapolis.
Kombination aus Stimmung und
Umständen. Wenn Leander Crystal solche Freunde hatte, brauchte er
wahrscheinlich keine Feinde. Während der ersten Hälfte der Fahrt
brütete ich noch viele andere ebenso neuartige Erkenntnisse aus.
Aber als ich in die Stadt
kam, entspannte ich mich langsam.
Es ging auf fünf zu, und
die Tatsache, daß ich an dem stadtauswärts gerichteten Straßenverkehr
der Rushhour vorbei in die Stadt hineinrollte, verbesserte meinen Zustand.
Ich wurde nachdenklicher. Nachdenklich genug, um klarzukriegen, was mich
an diesem Armeefoto gestört hatte. Im Prinzip nichts. Es hatte nicht
im mindesten gelogen. Es mußte aufgenommen worden sein, als Chivian
etwa dreißig Jahre alt war, wenn man an die Ausbildung auf der Uni
dachte und das alles.
Fast dreißig und nur
noch sehr wenige Haare. Viel weniger als heute. Jetzt wurde mir auch klar,
warum er selbst im Augenblick des Triumphs seinen Kopf festhalten mußte.
Der Bastard war kahl, kahl wie ein Ei.
So kahl, könnte man
sagen, wie Leander Crystal.
Vom Kessler Boulevard bis zur
Achtunddreißigsten Straße, was keine geringe Entfernung
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