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Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Z. Lewin
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ist,
     lachte ich laut vor mich hin.
    Und ich hörte da auch
     nur deshalb auf, weil ich müde wurde und ein Verkehrspolizist mich
     irgendwie merkwürdig ansah.
    Den Rest des Weges überlegte
     ich mir, daß Chivian ohne seine Perücke und Bräune Leander
     ziemlich ähnlich sehen würde. Was die oberflächliche
     Beschreibung betrifft, jedenfalls.
    Chivian war etwas größer,
     etwas schwerer und etwas älter. Und viel ekelhafter. Irgendwie
     erschien Crystal mir nicht als Kandidat für besondere Ekelhaftigkeit.
     Es war, als sei Chivian eine Art armer Verwandter, die bleiche Imitation,
     der rohere Crystal.
    Und es ging mir durch den
     Sinn, daß ihre Beziehung vielleicht enger war als die von Freunden;
     eine Idee, auf die man vielleicht ein klein wenig Mühe verwenden
     durfte. Ich machte mir eine Notiz.
    Den ganzen Weg nach Hause
     hatte ich nicht den geringsten Verkehr.        
    Aber dafür hatte ich zu
     Hause jede Menge Verkehr gehabt.
    Die Post lag wie gewöhnlich
     auf dem Boden, und ich stampfte sie beim Reinkommen in die Dielenbretter.
     Eine Sache war interessant, ein Brief vom Standesamt von New York.
    Aber ein paar andere Dinge
     waren nicht so wie sonst. Die Schubladen meines Büroschreibtisches
     standen offen. Dasselbe beim Schreibtisch und dem Sekretär im
     Wohnzimmer. Ich mache immer alle meine Schubladen hübsch zu. Das
     vergesse ich nie, so senil ich sonst auch sein mag. Ich hatte kleine
     Besucher gehabt.
    Ich ging an meinen
     Aktenschrank. Der ist nicht verschließbar.
    Ich habe nie ein Schloß
     gebraucht.
    Ich öffnete bei C. Die
     Akte über die Crystals fehlte. Die Akte mit den Negativen und den Abzügen,
     die mir die Gesetzeshüter freundlicherweise überlassen hatten,
     ebenso wie die Unterlagen aus Fishmans Praxis und die Briefe an Graham.
    Ich erlitt beinahe einen
     Schock. Ich rannte zurück zu meinem Büroschreibtisch, auf dem
     ein prächtiger, wunderschöner exquisiter Satz Abzüge der
     Crystal-Bürounterlagen prangte, in zehn wohlorganisierten Häufchen.
     Meine Arbeitskopie. Die auf dem Schreibtisch lag, wunderschön und prächtig
     und bereit, durchgearbeitet zu werden. Wenn ich noch irgend etwas
     gebraucht hatte, um mich in die Arbeit zu vertiefen, dann war es das. Was
     für ein lächerliches Spiel - zwei erwachsene Männer, die
     »Rauben wir einander die Büros aus!« spielten.
    Mein einziger Trost war, daß
     Crystal nicht gewußt hatte, daß Miller mir zwei Sätze mit
     Abzügen gegeben hatte, nicht nur einen. Und ich dankte Crystal im
     stillen für seine zusätzliche Botschaft: Irgendwas war in diesen
     Unterlagen zu finden. Ich ging davon aus, daß mein Besucher Crystal
     gewesen war.
    Ich öffnete den Brief
     aus New York und sah mir das Geburtszertifikat von Eloise Crystal an.
     Geburtshelfer war Henry Chivian. Welche Überraschung!
    Mit dieser Geburtsurkunde
     fing die neue Akte Crystal an, und mit einem Foto davon fing die neue
     Sicherheitskopie an, die auf unentwickeltem Film wohlversteckt bleiben würde.
     Es sei denn, sie wurde gebraucht.
    Ich setzte mich an meinen
     Schreibtisch und adressierte einen Briefumschlag an Leander Crystal. In
     den Umschlag hinein steckte ich mit einer Träne im Auge seinen Scheck
     über fünfzigtausend Dollar. Flüchtig kam mir der Gedanke,
     daß ich ihn statt dessen vielleicht lieber um viel, viel mehr bitten
     sollte.
    Was würde er tun?
    Aber das wäre
     unmoralisch gewesen. Wenn ich mir schon den Kopf über Moral zerbrach,
     gab es nur eine anständige Lösung, nämlich den Mund zu
     halten, den Fall sausenzulassen und dem Mann sein Geld trotzdem zurückzugeben.
    Wenn ich den Scheck einlöste,
     unter welchen Umständen auch immer, würde ich mich schuldig fühlen.
     Nicht daß man sich nicht an ein Leben mit Schuldgefühlen gewöhnen
     könnte…
    Fast hätte ich Chivians
     Rezept mit in den Umschlag gesteckt, aber dann besann ich mich eines
     anderen. Es war eine Handschriftenprobe von dem Mann. Statt dessen machte
     ich also ein Foto davon und heftete das Original in die Akte mit Eloise'
     Geburtsurkunde. Es könnte ein Anhaltspunkt sein. Und Leander würde
     das Stückchen Papier wohl kaum brauchen, um den Bericht über
     mein Abenteuer in Lafayette voll auszukosten.
    Wahrscheinlich hatte er
     diesen Bericht bereits bekommen.
    Ich gönnte mir eine
     Pause für einen Gedanken. Die Post war, als ich nach Hause kam, genau
     dort gewesen, wo sie hingehörte.
    Aber die Schubladen nicht.
     Das bedeutete entweder,

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