Wer viel fragt
dir
raten. Ich frag bei dem Gentleman noch mal nach und sage ihm, daß er
morgen ein Päckchen zu erwarten hat.
Wenn ich nicht in zehn
Minuten zurückrufe, läuft die Sache.«
Die zehn Minuten verwandte
ich darauf, mir zu überlegen, wie wahrscheinlich es war, daß
Maude versuchen würde, irgend jemanden zu erpressen. Nicht sehr
wahrscheinlich, fand ich.
Höchstens eins zu vier.
Nach weiteren fünf
Minuten beschloß ich, Miller anzurufen.
Ich hatte keine Lust, länger
auf meinem Hintern rumzusitzen und über die diskreteste
Vorgehensweise nachzudenken. Jetzt mußten Taten folgen.
Miller hörte sich müde
und gelangweilt an. Armer Mann, ich versuche, ein wenig Würze in sein
Leben zu bringen, aber das weiß er nicht immer zu schätzen.
»So, du bist also
wirklich fest entschlossen weiterzumachen, ja?«
»Ja, hast du dir den
Namen richtig notiert? Chivian, Henry, MD.« Ich buchstabierte es für
ihn, sogar das MD. Das ist es, was ich mit Würze meine. Nicht jeder würde
so etwas für einen Freund tun.
»Na schön, na schön.
Aber ich wüßte so langsam doch gern, was ich von der Sache
habe.«
»Du kriegst die erste
Polizeiinformation über irgendwelche illegalen Vorgänge. Du
kriegst alles.«
»Bevor du die
Geschichte an die Zeitungen verkaufst oder hinterher?«
»Was kümmert es
dich, wenn du den großen Fisch kriegst, der dir die
Leutnantsstreifen, nach denen es dich verlangt, ans Revers zaubert? Übrigens,
wo wir schon mal beim Thema sind, ich habe da noch was, das dich
interessieren könnte.«
»Oh.« Es klang
kein Interesse durch.
»Jemand ist bei mir
vorbeigekommen und hat die hübschen Fotos gestohlen, die du für
mich gemacht hast.«
»Ach ja? Haben sie
beide Sätze erwischt?« Es klang immer noch nicht interessiert.
»Nein. Ich hatte Glück.
Sie suchten nach einem Satz und den Negativen, und das haben sie beides
bekommen, plus alle anderen Unterlagen, die ich über den Fall besaß.«
»Nun, wie das Schicksal
es will, habe ich auch für mich selbst einen Satz machen lassen. Wenn
du zufälligerweise deine Abzüge verbrennst, kannst du dir meine
borgen.« Deshalb war er also nicht interessiert. Er hatte sich
bereits genug für meinen Fall interessiert, um sich Kopien von allem
zu machen.
Armeeakten;
Polizeiunterlagen. Wirklich nett. Was für ein netter Gentleman.
»Noch was?« fuhr
er fort. »Ich habe keine Zeit, am Telefon mit dir rumzualbern.«
»Ich weiß«,
sagte ich. »Du mußt nach Hause zu deiner Frau.«
Aus irgendeinem Grund legte
er kommentarlos den Hörer auf.
Es ist wie beim Essen. Es
gibt einfach Leute, die etwas Würze vertragen können, und
solche, die es nicht können. Ich hatte ihn gebeten, mir
Armeeunterlagen über Chivian zu besorgen, und wenn er herausfand, wo
Chivian vor seiner Armeezeit gelebt hatte, auch die Polizeiunterlagen von
dort. Vielleicht Ames, Iowa?
Ich sammelte die Finanzstapel
meiner Crystal-Kollektion ein und schob sie in einen kleinen Umschlag.
Dann schob ich den kleinen Umschlag in einen größeren und
adressierte ihn an Andrew Elmitt. Den zweiten Umschlag bedeckte ich mit
Briefmarken, schrieb mit einem blutfarbenen Buntstift aus meinem zum
Tieremalen gedachten Vorrat von Schreibgeräten ›Eilpost‹
auf den Umschlag, ging aus dem Haus und schickte ihn ab.
31
Aber ich konnte nicht
schlafen. Es war ein harter Tag gewesen. Wenn ich in einer passiven
Stimmung gewesen wäre, hätte ich Depressionen bekommen. Aber so,
wie die Dinge jetzt lagen, studierte ich die Risse in der Decke, um
festzustellen, ob sie sich wohl weiter ausdehnen würden. Ich ordnete
sie zu Gesichtern und dann zu Tieren. Ich hörte Stimmen im Büro.
Ich hörte Stimmen im Flur. Ich sah Chivian, der mich auslachte.
Und ich sah diese
Windpockennarben und fragte mich, wie viele Kinder sie wohl hatten.
Dann fand ich es plötzlich
sehr seltsam, daß Leander Crystal das Haus, in dem Mrs. Forebush
jetzt wohnte, bereits über ein Jahr, bevor sie es brauchte, gekauft
hatte. Vor allem, da Estes zu diesem Zeitpunkt noch lebte. Auch fand ich
es verwunderlich, daß er es mit solcher Liebe zum Detail hatte
renovieren lassen bis hin zu Schlössern an den Türen. Wenn er es
in der Erwartung gekauft hatte, daß Mrs. Forebush es brauchen würde,
warum dann diese speziellen Maßnahmen? Warum abschirmende Büsche?
Und warum Doppelbetten?
Ja wirklich, warum?
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