Wer Wind sät
sagte er.
»Wer ⦠wer ist das?«, fragte er betroffen.
»Die Marga«, erwiderte der Feuerwehrhauptmann. »Sie muss hingefallen sein. Die sind einfach alle ⦠über sie drüber â¦Â«
Ihm versagte die Stimme, er schüttelte den Kopf und kämpfte um Selbstbeherrschung. Es war etwas anderes, ob man ein Opfer persönlich kannte, oder ob es Fremde waren.
»GroÃer Gott«, murmelte Heinrich von Bodenstein. Bis dahin war ihm das ganze Ausmaà der Katastrophe nicht bewusst gewesen. So viel Tod und Leid an einem einzigen Tag. Er klopfte dem Feuerwehrmann auf die Schulter, dann bahnte er sich einen Weg durch das Chaos aus Verletzten und Helfern. Menschen irrten auf der Suche nach Freunden und Familienangehörigen umher, bleiche, blutverschmierte Gesichter, die Kleidung schmutzig und zerrissen. Sanitäter trugen eine verletzte Frau hinaus ins Freie. Heinrich von Bodenstein erkannte sie.
»Kerstin!«, rief er. In ihrem Arm steckte eine Infusionsnadel, aus einem Beutel, den ein Helfer hochhielt, tropfte eine Kochsalzlösung in ihre Vene. Die Frau hob den Kopf, sie brauchte ein paar Sekunden, bis sie ihn erkannte und eine Hand nach ihm ausstreckte.
»Ricky«, murmelte sie heiser. Ihre Hand war eiskalt. »Sie ⦠sie hat ⦠sie hat die ganzen â¦Â«
»Entschuldigung«, unterbrach sie der Sanitäter. »Sie können später noch reden. Wir bringen Sie jetzt erst mal ins Krankenhaus.«
Heinrich von Bodenstein wurde zur Seite geschoben, Kerstins Hand entglitt ihm. Was war mit Ricky? Wo waren die anderen? Ludwig war nicht mehr da, es war nun wohl seine Aufgabe, sich um seine Kollegen und Freunde zu kümmern. Er ging zurück und fragte jeden, der ihm begegnete, nach Ricky und Jannis, aber niemand hatte die beiden gesehen. Allmählich fanden sich alle im Foyer ein. Bis auf Kerstin schienen zu Bodensteins Erleichterung die meisten unverletzt zu sein, sie hatten â wie er selbst â im vorderen Teil der Halle gesessen. Kaum jemand sprach ein Wort. Was zu einem Triumph für die Bürgerinitiative hatten werden sollen, war in einer Tragödie geendet.
»Wisst ihr, wo Ricky ist?«, fragte Heinrich von Bodenstein. »Oder Jannis?«
»Ricky hab ich zuletzt vorne am Stand gesehen«, antwortete schlieÃlich einer der Ordner, der auch ein Sympathisant der Bürgerinitiative war. »Kurz nachdem hier die Hölle losgebrochen ist. Aber dann nicht mehr.«
*
Pias Handy summte und leuchtete. Christoph!
»Ich hab im Radio gehört, was in Ehlhalten passiert ist!«, rief er. »Warum gehst du nicht an dein Telefon?«
»Weil hier der Teufel los ist«, antwortete sie. »Ich hab vorhin versucht, dich anzurufen, aber â¦Â«
»WeiÃt du, was ich mir für Sorgen um dich gemacht habe?«, unterbrach er sie. »Ich hab allmählich keine Lust mehr darauf! Und dauernd versprichst du mir Dinge, die du nicht einhältst!«
Sein harscher Tonfall verschlug Pia für einen Moment die Sprache. So war Christoph noch nie mit ihr umgesprungen! Es war, als sei der Urlaub nie gewesen, diese herrlichen, entspannten Wochen, so weit entfernt von Alltag und Stress.
»Du hast gesagt, du bist um sieben da«, warf er ihr nun vor. »Bis halb acht habe ich gewartet, aber dann musste ich los. Und jetzt bist du nicht zu Hause, und ich höre das im Radio. Verdammt, was soll das?«
Da stieg Verärgerung in Pia auf.
»Ich wäre weià Gott lieber mit dir essen gegangen«, entgegnete sie. »Aber ich konnte hier nicht einfach verschwinden, wie du dir vielleicht vorstellen kannst. Ich habe den Bürgermeister aus diesem Hexenkessel rausgeschleift, sonst wäre der nicht mehr am Leben.«
Was dachte er denn? Dass sie zum Spaà hier war? Dass sie ihr Handy griffbereit hatte, während sich Leute zu Tode trampelten? Aber Christoph ging überhaupt nicht darauf ein.
»Wann kommst du?«, fragte er kalt. Da wurde sie wütend.
»Ich komme, wenn ich fertig bin mit meiner Arbeit«, rief sie und drückte ihn weg. Verdammt! Sie wollte keinen Streit mit ihm haben. Plötzlich hasste sie ihren Job und Leute wie Theodorakis, die schuld daran waren, dass sie nicht nach Hause gehen konnte.
»Ist etwas passiert?« Bodenstein tauchte neben ihr auf.
»Christoph ist sauer, weil ich vergessen hatte ihn anzurufen«, antwortete sie genervt.
Ihr Chef musterte sie von der
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